Altenburg. Louis Castellis Replik der berühmten Sixtinischen Madonna

Das Lindenau-Museum gehört zu den 23 national bedeutenden Kultureinrichtungen in den Neuen Ländern. In dieser Serie werden berühmte Kunstwerke aus den umfangreichen Sammlungen des Museums vorgestellt.

Dank digitaler Technologien braucht es heute nicht mehr viel zur Anfertigung einer hochauflösenden Kopie, die selbst feinste Details des Originals wiedergibt. Vor der Entwicklung fotografischer Verfahren konnten Kunstwerke jedoch ausschließlich in Form einer Druckgrafik vervielfältigt werden, um sie jenseits ihres Aufbewahrungsortes einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Eine weitere – ungleich aufwendigere – Möglichkeit, die im Gegensatz zur Grafik zu einem gewissen Grad die malerischen und farblichen Qualitäten des Originals übermitteln konnte, war das Abmalen durch einen Kopisten.

Da Bernhard August von Lindenau seine Kunstsammlung als Lehrsammlung im Sinne einer künstlerisch-ästhetischen Unterrichtung der Bevölkerung verstand, trug er zahlreiche Repliken nach wichtigen Kulturgütern der europäischen Kunst- und Architekturgeschichte zusammen, darunter Reproduktionsgrafiken, Gipsabgüsse nach antiken Plastiken und Korkmodelle berühmter Bauwerke wie Kolosseum oder Pantheon in Rom.

Einen heute nur noch in wenigen Exemplaren erhaltenen Sammlungsbestand bildeten knapp 200 Gemäldekopien, vornehmlich von Werken der italienischen Hochrenaissance. Sie wurden zum größten Teil Ende der sechziger Jahre aus finanziellen und räumlichen Gründen sowie aus Geringschätzung dem Volkseigenen Handel Antiquitäten zum Weiterverkauf übergeben. Dabei handelte es sich um ein staatliches Unternehmen der DDR. Über den Verbleib der Kopien konnte kaum etwas in Erfahrung gebracht werden.

Daher kann es als besonderer Glücksfall gelten, dass ein Plauener Auktionshaus sich 2013 wegen einer Replik, die aus Lindenaus Sammlung stammte, an das Museum wandte. Es handelte sich um Louis Castellis Kopie von Raffaels Sixtinischer Madonna, welche der kunstsinnige sächsische Kurfürst und polnische König August III. 1754 für die Dresdener Gemäldegalerie 1754 angekauft hatte. Mit Hilfe der Ernst von Siemens Kunststiftung konnte Castellis Kopie für das Lindenau-Museum zurückerworben werden.

In dem Gemälde inszenierte Raffael eine imposante Figurengruppe, deren Zentrum und Scheitelpunkt die Gottesmutter Maria mit dem Jesusknaben bildet. In ihren ernsten Gesichtszügen spiegelt sich das Wissen um den bevorstehenden Leidensweg Christi. Links von ihr kniet demutsvoll aufblickend der heilige Sixtus, rechts die heilige Barbara. Beide werden am Hochaltar der Klosterkirche San Sisto in Piacenza verehrt, für die Raffael das Bild 1512/1513 im Auftrag von Papst Julius II. geschaffen hat.

Die größte Bekanntheit dürften die beiden an der gemalten Brüstung des unteren Bildrandes lehnenden Engel genießen – kein Motiv ist häufiger auf Tassen, Brillenputztüchern oder Kühlschrankmagneten verkitscht worden.

Mit der Anfertigung der Replik nach dem schon damals berühmten Dresdener Original hat Lindenau Louis Castelli 1847 beauftragt, nachdem dieser bereits drei Gemälde für ihn kopiert hatte. Der 1805 in Dresden geborene Castelli hatte an der Akademie seiner Heimatstadt studiert und Auszeichnungen für Kopien erhalten. 1822 war er Schüler von Friedrich Matthäi (ab 1823 Direktor der Dresdener Gemäldegalerie) und Carl Vogel von Vogelstein, bevor er 1825 nach München ging, um an der Kunstakademie zu studieren. Zehn Jahre später reiste er nach Italien, wo er Werke von Renaissance- und Barockmeistern studierte und kopierte. 1836 kehrte Castelli nach Dresden zurück, arbeitete als Porträt- und Historienmaler.