Hermsdorf. Wie 49 Bewohner der ASB-Wohnstätte in der Lahnsteiner Straße in Hermsdorf die Corona-Zeit mit strikten Regeln überstehen.

Seit sieben Wochen halten sich die 49 Bewohner der Wohnstätte des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB), Kreisverband Saale-Holzland-Kreis, in der Lahnsteiner Straße in Hermsdorf an strikte Corona-Regeln. In der besonderen Wohnform, die erwachsenen Menschen mit Behinderung ein Zuhause und ein familiäres Zusammenleben ermöglicht, habe das Leben in den vergangenen Wochen hauptsächlich im großzügigen eigenen Garten rund um das Haus stattgefunden. „Die Bewohner haben Haus und Garten die ganze Zeit nicht einmal verlassen“, sagt Wohnstättenleiterin Sandra Geithe. Für den verantwortungsvollen Umgang mit der Corona-Krise möchte sie sich bei Bewohnern und Mitarbeitern gleichermaßen bedanken.

Bewohnerrat informiert in leichter Sprache über das Geschehen

Dass sie bisher so gut und diszipliniert durch diese schwierige und besondere Zeit gekommen sind, habe vor allem mit Vertrauen zu tun, mit einer ganz klaren Linie und mit der Sicherheit, welche die Wohnstättenleiterin und alle Mitarbeiter gegenüber den Bewohnern ausstrahlen. „Ich habe das Haus hier 1998 mit geplant, war beim ersten Spatenstich dabei und bin von Anfang an als Leiterin tätig. Ich liebe meinen Job und ich kenne die Menschen. Wir sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten zusammen alt geworden“, sagt Sandra Geithe. Ihr und allen Mitarbeitern sei es wichtig, für die Bewohner präsent zu sein und allen die Zeit so angenehm wie möglich zu gestalten.

Wichtig sei auch, dass beispielsweise der Bewohnerrat die Bewohner in leichter Sprache über das Geschehen rund um das Corona-Virus informiert. „Wir haben aber auch WLAN, und die Leute lesen selbst nach, was sie zum Thema interessiert. Natürlich erklären und erzählen auch die Mitarbeiter vom aktuellen Geschehen. Die Bewohner gehen üblicherweise über das Wochenende nach Hause. Das geht aber seit dem 12. März nicht. Wir erklären dann, dass wir nicht zur Mutti gehen – und die Bewohner können das derzeit eben auch nicht. Wir halten uns ganz strikt an das Besuchsverbot. Sie können sich zum Beispiel auch nicht vorstellen, dass im Brückencenter wochenlang kein Laden geöffnet hatte. Sie waren ja selbst nicht dort. Aber die Mitarbeiter erzählen davon, um ihnen einen Eindruck zu vermitteln, was außerhalb unserer Wohnstätte los ist.“

Weil die Bewohner in den vergangenen Wochen auch nicht die nahe gelegene Tankstelle aufsuchen konnten – wo viele gern ihr Taschengeld für eine Zeitung, etwas Süßes oder etwas zu trinken ausgeben – sei in der Wohnstätte unter anderem ein kleiner Kiosk eröffnet worden. Außerdem werde viel gebastelt, einige haben das Fußballspielen für sich entdeckt, andere flechten sich Blumenkränze und genießen den schönen Garten am Haus. Katy Ortlepp, die Gruppenleiterin der Garten- und Landschaftspflege in den ASB-Holzlandwerkstätten in Bad Klosterlausnitz, sei vor Ort gewesen und habe mit einigen Helfern Sträucher verschnitten, Unkraut entfernt, die grüne Oase richtig auf Vordermann gebracht. „Wenn Corona vorbei ist, haben wir Deutschlands schönsten Garten“, sagt Sandra Geithe, schmunzelt und ergänzt: „Wie wahrscheinlich alle anderen im Land, die einen Garten haben.“

Herausforderung: tägliche Versorgung mit Mittagessen

Bei ganz vielen Beschäftigungen hätten die Bewohner „sehr viel Spaß“ gehabt. „Wir haben einige Bewohner wieder mit anderen Augen gesehen, weil sich bei ihnen Ressourcen auftaten, die wir bisher nicht kannten.“ Trotz allem sei der geregelte Alltag enorm wichtig und werde den Bewohnern auch verdeutlicht, dass sie keinen Urlaub haben, sondern auch arbeiten und einer Beschäftigung nachgehen müssen. So seien beispielsweise noch vor Ostern erste Arbeitsplätze eingerichtet worden, an denen Tätigkeiten übernommen werden konnten, die sonst in den Holzlandwerkstätten erledigt werden.

Eine Herausforderung sei die tägliche Versorgung mit Mittagessen. Üblicherweise werde in der Wohnstätte nur am Wochenende gekocht – derzeit müsse an sieben Tagen in der Woche Essen zubereitet werden. „Anfangs hatten wir vormittags nur mit dem Essenkochen zu tun, was letztlich auch eine finanzielle Frage ist“, sagt Sandra Geithe. Mit Unterstützung von Ines Köhler, der Team-Leiterin der Küche in den Holzlandwerkstätten, konnte eine bessere Lösung gefunden und die Wohnstätte entlastet werden.

Claudia Kirchner, die Geschäftsführerin des ASB Kreisverbandes SHK e.V., geht derzeit davon aus, dass die Bewohner bis zum 6. Mai noch nicht wieder an ihre Arbeitsplätze in den Holzlandwerkstätten zurückkehren können. „Mehr werden wir eventuell heute, am 30. April, wissen, denn heute berät sich die Bundeskanzlerin ja wieder mit den Ministerpräsidenten der Länder in Sachen Covid-19-Pandemie.“

In der Wohnstätte in der Lahnsteiner Straße – sowie in der ASB-Wohnstätte in der Hermann-Danz-Straße, die ebenfalls von Sandra Geithe geleitet wird – wollen die Mitarbeiter jedenfalls nach wie vor ihr Bestes geben, um den Bewohnern die Zeit so angenehm wie möglich zu gestalten.

Einige Freudendämpfer gibt es aber bereits. So muss die Radtour, die üblicherweise einmal im Jahr mit 15 Bewohnern stattfindet, von Mai auf den Herbst verschoben werden. Eventuell fällt sie sogar ganz aus, stattdessen könnte es auf Wandertour gehen. „Auch unser jährlicher Auslandsurlaub mit einer Bewohnergruppe fällt aus, stattdessen werden wir uns dieses Jahr in Deutschland erholen“, sagt Sandra Geithe. „Ich möchte nochmal danke sagen an alle Mitarbeiter und Bewohner. Wir hatten das Gefühl, dass die Zeit ganz schnell vergeht und nicht, dass wir hier eingesperrt wären.“