Neustadt. Ausstellung „Krieg im Äther. Zum medialen Klassenkampf beider deutschen Staaten“ eröffnet

Als der Mauerfall im Fernsehen verkündet wurde, habe sie in der Stube gestanden und geheult. Es sind solche Erinnerungen, die Ilona Richter wieder in den Sinn kommen, als sie am Donnerstagabend durch die Ausstellung „Krieg im Äther. Zum medialen Klassenkampf beider deutschen Staaten“ geht.

Als sie vor den Schautafeln zum 9. November 1989 angekommen ist, sind die Bilder an diesen Abend wieder so präsent wie damals. Nicht nur die persönlichen Erinnerungen an diesen besonderen Tag der deutschen Gesichte sind verschieden, sondern auch die Art und Weise wie DDR- und Westfernsehen in ihren jeweiligen Nachrichtensendungen „Aktuelle ­Kamera“ und „Tagesschau“ darüber berichtet wurde.

Es sind historisch bedeutenden Ereignisse wie Mauerbau und Mauerfall, die in der Ausstellung verdeutlichen, wie das Fernsehen als Mittel der Propaganda einerseits und als Weg zur freien Meinungsbildung andererseits genutzt wurde. Anhand von 24 großformatigen Schau­tafeln sowie 17 TV-Beiträgen wird das Verhältnis zwischen Medien, Politik und Gesellschaft genauer betrachtet.

Die Schau, die den Zeitraum von 1956 bis 1989 beleuchtet, ist in vier Phasen unterteilt. Interessante Texte, die entsprechend bebildert sind, sowie verschiedene Sendungen, darunter Nachrichtensendungen, Politmagazine und Filme, geben Aufschluss darüber, wie unterschiedlich in Ost- und Westmedien berichtet wurde. Und auch darüber „wie beide deutsche Staaten versuchten, ihre Überlegenheit gegenüber dem anderen deutschen Staat zu verdeutlichen“, wie Neustadts Bürgermeister Ralf Weiße in seinen Begrüßungsworten bemerkte.

Dass die Ausstellung auch viele Anknüpfungspunkte zur heutigen Zeit, in denen alternative Fakten und Fake News präsent sind, bietet, betonte Andreas Jantowski, Direktor des an der Entstehung der Schau beteiligten Thüringer Instituts für ­Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien. Im Unterricht müsse daher gezeigt werden, wie ideologisch Medien geprägt werden, um ganze ­Generationen zu beeinflussen.

Auch Kurator Jürgen Haase verwies in seinen einleitenden Worten auf den aktuellen Bezug der Ausstellung und nannte die Ukraine-Krise, Griechenland, Iran, Flüchtlingsströme und ­Klimaerwärmung als Beispiele dafür, wie Medien Meinung ­machen können. „Der Krieg im Äther ist voll im Gange. Es ist ein Kampf um die Meinungs­hoheit“, sagte Jürgen Haase. Ein großes Kompliment sprach er Yvonne Jackel, Mitarbeiterin im Museum für Stadtgeschichte in Neustadt, nicht nur für das Arrangement der Schautafeln aus, sondern auch dafür, wie die Ausstellung den Besuchern ermögliche, die audiovisuellen Beiträge zu erfahren. Denn stilecht können diese auf einer Couch­garnitur aus den 1960er-Jahren, die aus einer Haushaltsauflösung stammt und vorübergehend vom Sozialtherapeutischen Zentrum für die Ausstellung zur Verfügung gestellt wird, Platz nehmen, um Ausschnitte von „Polizeiruf“, „Blaulicht“ und „Die fünfte Kolonne“ über den Bildschirm flimmern zu sehen.

Bei den ersten Besuchern kam die Schau in jedem Fall an. „Mir gefällt es sehr. Ich finde den Mix gelungen und mir gefällt die Einrichtung“, sagte Ilona Richter. Einiges Neues gab es für Silvia Linder zu entdecken. Im Elternhaus sei kein Westfernsehen geschaut worden, erst mit dem Umzug nach Neustadt 1985 hielt dieses bei ihr Einzug ins heimische Wohnzimmer. „Das war eine ganz andere Welt“, ­erinnerte sie sich. Die Gegenüberstellung von Fernsehen aus West und Ost fand sie gelungen und auch die audiovisuelle Komponenten, die in die Schau eingebunden sind, gefielen ihr. „Ich finde die Ausstellung ist super gemacht“, resümierte ­ Silvia Linder.

Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Deutschen Rundfunkarchiv, mit ARD und ZDF, mit Unterstützung der Stiftung Berliner Mauer, des Thüringer Instituts für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien, der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und dem Wilhelm-Fraenger-Institut in Berlin.

Bis zum 30. Oktober kann „Krieg im Äther. Zum medialen Klassenkampf beider deutschen Staaten“ im Museum für Stadtgeschichte in Neustadt besucht werden