Pößneck. Karin Reikowski erinnert sich: „Es war dunkel, Männer spielten Skat und tranken Bier.“

„Ich erinnere mich, wie ich als neunjähriges Mädchen in die erste Etage stieg und in den Getränkehandel kam“, erzählt die 58-jährige Karin Reikowski, „es war dunkel, Männer spielten Skat und tranken Bier.“ Sie ging als Kind oft mit ihrer Tante in das Haus Horn in der Johannisgasse 1, welches heute ein bauhistorisches Denkmal im Besitz der Stadt ist. Eine weitere Nutzung sei nicht vorgesehen. Karl Ernst führte gestern zum Pößnecker Sonntagstreifzug durch das altehrwürdige Haus, das über etwa acht Generationen im Besitz der Tuchmacherfamilie Horn war.

Knapp 30 Interessierte kann Karl Ernst am Gebäude versammeln, unter ihnen eben auch Familie Reikowski, die erst seit 2015 wieder in Pößneck lebt. Man sei 28 Jahre in Nordrhein-Westfalen sesshaft gewesen, doch die einstige Tuchmacher­stadt an der Kotschau zog sie wieder magisch an. Kindheitserinnerungen werden bei Karin wieder wach. „Als ich von dem Streifzug an diesem Sonntag hörte, musste ich unbedingt hin“, sagt sie mit Begeisterung. Es sei das erste Mal seit Kindheits­tagen, dass sie das Haus wieder betrete.

Während in der Gasse jede Menge Baugerüste an den uralten Gebäuden innerhalb der ehemaligen Stadtmauern stehen, ist am Haus Horn längst wieder Ruhe eingekehrt. Blütenweiße Wände, braunes Fachwerk und ein rundes Eingangsportal entführen die Geschichtsinteressierten schließlich ins Innere. Dort berichtet Karl Ernst in der Vorhalle unter anderem über die beiden Bohlenstuben, das Handwerk und die Haus­geschichte.

Um etwa 1555 ließ Fritz Horn das Haus wahrscheinlich auf einem Vorgängerbau errichten. Als Tuchmacherhaus wurde es geschaffen, bis um 1715 einer der Nachkommen es im Inneren umbaute. „Im 18. Jahrhundert wurde es Mode, ein Haus in mehrere Zimmer zu untergliedern für Plätze für die Familie, die Kinder oder die Dienstboten“, erklärte Karl Ernst. Und fügt an: „Wir wissen aus Steuererklärungen, welchen Besitz die Horns hatten. Dazu gehörten eine Magd und Knecht. Eine Magd war eineinhalb Schock, ein Knecht zwei und eine Kuh drei wert“, sagt er mit süffisantem Lächeln.

Weitere Anpassungen erfuhr das Objekt, nachdem die Familie Horn einen Teil des Ensemble, damals noch bestehend aus den Häusern Nummer 1 und 3, verkauft hatte. Dazu sah sich Christiane Horn um 1870 veranlasst, weil sie es als Witwe nicht mehr bewirtschaften konnte und es keine Nachkommen gab.

Über viele Jahre diente das Objekt als Wohn- und Geschäftshaus. Dabei betrieb Fritz Horn offensichtlich eine Volltuchproduktion. Der Vorraum diente als Arbeitsraum, in dem die Tuchmacher ihrem Handwerk nachgingen. Des Weiteren gab es eine Vorratskammer mit Backofen und eine Schwarze Küche, deren Wände noch den Ruß der Jahrhunderte tragen.

Führungen können über die Pößnecker Stadtinformation gebucht werden