Alexander Hebenstreit bewegt sich in seiner Wochenendkolumne an der Grenze des gerade noch Hinnehmbaren, während sein Kopf gerne auf die Tischplatte hämmern möchte.

Zunächst einmal: Ich bin – meine innere Stimme möchte rufen „Gott sei Dank“ – kein Jurist. Insofern begebe ich mich auf heikles Terrain, wenn ich mir anmaße, ein Gerichtsurteil zu bewerten. Doch wenn man sich den wohl aufsehenerregendsten Richterspruch dieser Tage zu Gemüte führt, muss man sich über die Verrohrung der Sitten nicht mehr wundern.

Wie uns das Berliner Landgericht im Zusammenhang mit der Klage von Renate Künast erklärte, sind solch nette Titulierungen wie „Stück Scheiße“, „Schlampe“, „Pädophilen-Trulla“ oder auch „Drecksfotze“ keine Beleidigungen. Das jedenfalls, wenn sie im Zusammenhang einer Sachauseinandersetzung geäußert werden.

Amnestie für Klassiker der Deutschen Sprache

Gute Nachrichten also für die ganz großen Heißsporne auf den Sportplätzen der Republik, die ihre Emotionen und damit einhergehend ihr Mundwerk nicht immer im Griff haben. Wenn sich etwa „Drecksfotze“, wie seitens der Gerichts erklärt, haarscharf an der Grenze des noch Hinnehmbaren bewege, sollten doch Klassiker des deutschen Sprachgebrauchs wie „Blödmann“, „Arschloch“ oder „Wichser“ ebenfalls erlaubt sein.

Zumindest zu Letzterem kann ich mit Gewissheit sagen, dass es mindestens einem Fußballer aus der Region in dieser Saison schon zum Verhängnis wurde. Ihm entfuhr dieses eindeutig nicht beleidigende Wort – natürlich im Rahmen der Sachauseinandersetzung um das Spiel. Und was machte der Schiedsrichter? Der erdreistete sich, ihm die rote Karte zu zeigen. Wie wir jetzt wissen: eine klare Fehlentscheidung.

Zweifel am Stand der Zivilisation

Aber mal im Ernst: Wenn so etwas in Ordnung sein soll, möchte meine innere Stimme noch viel, lauter brüllen „Nein! Nein! Nein!“ Jeder der regelmäßig am Dorfsportplatz verweilt, weiß, wie schnell sich die Emotionen hochschaukeln können. Meistens beruhigen sich die Gemüter mit Abpfiff wieder, aber es kann vereinzelt auch in Handgreiflichkeiten münden.

Wenn alles zusammenspielt, kommt es gar zu Extremfällen, wie kürzlich im Saarland, die einen ernsthaft am Stand der Zivilisation zweifeln lassen. Dort wurde ein Schiedsrichter nach einer Partie von C-Junioren (!), also bei 13- bis 15-Jährigen, von einem Zuschauer offenbar bewusstlos geschlagen.

Fridays vor Future eine Woche voraus

Als Reaktion streikten die Schiedsrichter. Nicht für das Klima, aber auch um wach zu rütteln. Vergangenes Wochenende wurde im Saarland kein Fußball gespielt. Fair Play und gegenseitiger Respekt sollte auf allen Plätzen – und natürlich auch über den Sport hinaus – gelten. Und das fängt damit an, wie man mit anderen spricht; egal ob unbedacht oder nicht, egal ob als Aktiver oder Außenstehender.