Bad Lobenstein. Klaus Scholtissek, Geschäftsführer der Diakoniestiftung Weimar-Bad Lobenstein, im Interview

Die Diakoniestiftung Weimar-Bad Lobenstein feiert in diesem Jahr ihr zehnjähriges Bestehen. 2009 gründeten die Thüringer Traditionsstiftungen Evangelische Stiftung Christopherushof, ­Michaelisstift Gefell, Stiftung Sophienhaus Weimar den neuen großen Verbund. Das Angebot erstreckt sich über alle Lebensbereiche, von Familienangeboten, Kindergärten über Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen bis hin zur ­Altenpflege. Klaus Scholtissek, Geschäftsführer der Diakoniestiftung, erzählt von den Startschwierigkeiten, aktuellen Entwicklungen und der Zukunft.

Was waren die größten Herausforderungen am Anfang der Diakoniestiftung?

Die beiden Partner in Bad Lobenstein und Weimar mit ihren gewachsenen Traditionen zusammenzuführen. Bei solchen Zusammenschlüssen gibt es natürlich immer Ängste, dass die eine Seite die andere übervorteilt oder dass Arbeitsplätze verloren gehen. In den ersten zwei Jahren war es daher eine der Hauptaufgaben, diese Ängste durch gute Kommunikation und überzeugendes Handeln zu entkräften. Wir haben mit 1635 Angestellten begonnen und beschäftigen mittlerweile 2236 Mitarbeiter.

Wie behält man da als Geschäftsführer den Überblick?

Wir gehen wie in jedem größeren Unternehmen arbeitsteilig vor. Jede Einrichtung hat einen Leiter. Dann haben wir übergeordnet die Geschäftsbereichsleitungen – für Schulen, Eingliederungshilfe, Altenhilfe sowie für Kinder, Jugend und Familie. Diese verantworten die fachliche Qualität und sind für wirtschaftliche und personelle Fragen verantwortlich. Dann gibt es noch die Geschäftsführung, die ich mir mit meinem Kollegen Rainer Neumer teile. Jeder hat seine Aufgabenbereiche.

Wie sieht ihr üblicher Arbeitstag aus?

An zwei bis drei Tagen in der Woche bin ich in meinem Büro in Bad Lobenstein und zwei Tage in Weimar. Ich bin aber auch in vielen Einrichtungen vor Ort. Vor allen Dingen beschäftigen Rainer Neumer und ich uns mit strategischen Fragen. Ein Beispiel ist das neue Quartiershaus in Wurzbach. Gemeinsam mit weiteren Verantwortlichen haben wir überlegt: Wollen wir ein neues Projekt starten? Wenn ja, welche Angebote sind passend und nachhaltig?

Was sind die aktuellen Probleme in der sozialen Arbeit?

Ein großes Thema ist das Bundesteilhabegesetz, das die Finanzierung der Wiedereingliederungshilfe auf ganz neue Beine stellt. Das führt zu einer größeren Teilhabe und Selbstbestimmung der Menschen mit Behinderungen. Das hat aber auch einen erhöhten Verwaltungsaufwand zur Folge. Früher gab es meist eine Tagespauschale. Nun sind es einzelne Gebiete wie Wohnung oder die Arbeit in einer Werkstatt, die einzeln zu begründen, verhandeln und abzurechnen sind.

Wo sehen Sie die Zukunft der Förderschulen?

Das Thema Inklusion spielt dabei eine große Rolle. Wir erleben heute ein Auseinanderfallen von Erwartungen und Finanzierbarkeit. Die Diakoniestiftung ist Träger dreier Förderschulen. Ich bin überzeugt, dass diese Schulform auch in Zukunft benötigt wird. Die Gruppe der Kinder und Jugendlichen mit Behinderung ist nicht homogen. Es gibt einen Teil, der in einem gemeinsamen Unterricht nur schwer beschult werden kann. Das sind vor allem diejenigen mit schwerst mehrfachen Behinderungen.

Gelingt das Prinzip Inklusion derzeit?

Bei der Inklusion ist der erste Schritt zu differenzieren. Dann gilt es, so viel gemeinsamen Unterricht wie möglich zu gestalten. Voraussetzungen dafür sind Barrierefreiheit oder ge­nügend Lehrer, die die sonder­pädagogische Qualifikation haben. Es ist verantwortungslos, in einer Regelschule gemein­samen Unterricht zu praktizieren und dafür nur eine halbe sonderpädagogische Stelle für die ganze Schule einzurichten. Das ist keine Inklusion, solche Situationen bewirken das Gegenteil. Für die Lehrer ist es eine Herausforderung, allen Schülern, die unterschiedliche Förderbedarfe haben, gerecht zu werden.

Welchen Herausforderungen muss sich die Diakoniestiftung in Zukunft stellen?

Die Diakoniestiftung wird sich auch weiter dafür einsetzen, Menschen bestmöglich zu unterstützen, damit sie am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Die Herausforderung ist, die verschiedenen Angebote, die es in der ländlichen Region gibt, zu vernetzen. In Wurzbach sind wir gerade dabei, das um­zusetzen. Wir haben das mobile Seniorenbüro, die Tagespflege, eine Wohngemeinschaft und das seniorengerechte Wohnen.

Spielt der Fachkräftemangel eine Rolle?

Für die mobilen Seniorenbüros haben wir genügend Personal. Es gibt viele junge Menschen, die sich für diese Arbeit interessieren und dafür auch qualifiziert sind. Aber uns fehlen besonders Pflegefachkräfte. Das liegt zum einem daran, dass die Zahl der Pflegebedürftigen steigt. Zum anderen gibt es immer weniger junge Leute.

Wie kann dem Fachkräftemangel entgegen gewirkt werden?

Natürlich geht es darum, den Pflegeberuf attraktiver zu gestalten. Daher gibt es schon seit Jahren immer wieder Neuerungen in der Pflegegesetz­gebung. Die Politik reagiert also auf diesen Fachkräftemangel. Diese Bemühungen müssen aber weiterverfolgt werden. Besonders in Ostdeutschland haben wir einen großen Nach­holbedarf, was die Tarife für Pflegekräfte angeht.

Auswahl der Einrichtungen in der Region

Altengesees: Christopherushof

Bad Lobenstein: Lobtec, Werkstätten, Michaelisschule, Freie Montessori-Gemeinschaftsschule, Wohnstätten

Ebersdorf: Haus Elisabeth, Haus Emmaus, ­Kinderhaus Gottesschutz, Thüringer Eltern-Kind-Zentrum

Gefell: Michealisstift, Mobiles Seniorenbüro

Pößneck: Thüringer ­ Ini­tiative zur Armuts­bekämpfung mit Nach­haltigkeit

Seubtendorf:Mehrgenerationenhaus

Schleiz: Michaelishaus, evangelischer Kindergarten, Heilpädagogische Fördergruppe

Tanna: Außenwohngruppe Martinshaus

Wurzbach: Quartiershaus, Mobiles Seniorenbüro