Erdmannsdorf. Erdmannsdorf bei Stadtroda: Es ist wieder Wanderzeit. Wie der Natur- und Heimatverein Tälerdörfer Amphibien zur Familienplanung verhilft.

Die Amphibienwanderung ist in vollem Gange. Um zu verhindern, dass Tausende Tiere beim Überqueren der Straße auf dem Weg zum Laichgewässer überfahren werden, installierte der Natur- und Heimatverein Tälerdörfer am Samstag zwischen Lippersdorf und Erdmannsdorf 500 Meter grünen Schutzzaun und etwa 400 Meter an der Tälermühle Waltersdorf. Im Gegensatz zu früheren Materialausführungen hat der neue Zaun keinerlei Struktur, so dass Kröten, Frösche und Molche ihn kaum überwinden können.

An diesem Samstag meint es das Wetter gut mit den Freiwilligen, die sich am frühen Morgen an der Hauptstraße zwischen den beiden Tälerdörfern und später an der Tälermühle treffen, um einen knappen Kilometer Krötenschutzzaun entlang der Hauptstraße aufzustellen. Die Arbeit ist mühevoll, manch einer braucht einen Moment, um sich aus der gebückten Haltung wieder vollends aufzurichten.

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Zum größten Teil sind Altsemester am Werk. Der vom Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz mit der Installation des Schutzzaunes beauftragte Natur- und Heimatverein Tälerdörfer freut sich über tatkräftige Unterstützung aus der Region, zum Beispiel vom Naturschutzverein Stadtroda oder von Gunther Geßner, dem nach eigener Aussage einzigen Haupterwerbslandwirt und Biobauern in Stadtroda. Über ein paar neue Mitglieder würde sich der Verein sehr freuen, lautet die Botschaft.

Der sympathische Lockenkopf ist ein wenig verärgert, weil die Altersgruppe U40 ihre Finger lieber am Smartphone als an der Schaufel habe. Sein Tag begann nicht mit dem ersten Spatenstich an der Straße, sondern bedeutend früher. „Ich habe heute Morgen schon 70 Rindviecher versorgt, danach war ich warm gelaufen“, sagt er und lacht. Helga Stößel und Ilona Gäbler lassen sich von der mühevollen Arbeit in feuchter Erde die Laune nicht verderben. Der Lokalzeitung schenken sie ein freundliches Lächeln, dann geht es zielstrebig weiter.

Logistischer Aufwand wird immer größer

„Der Verein betreut die Strecke zwischen Lippersdorf und Erdmannsdorf seit über 20 Jahren“, sagt Vize-Vereinschef Andreas Seidemann. Und mit dem Verweis auf viele ältere Helfer: „Ich weiß nicht, wie lange wir das noch durchhalten.“ Neben der körperlichen Arbeit werde auch der logistische Aufwand immer größer und damit zeitaufwändiger.

Bevor es für die Kröte über die Straße geht, wird der Retter ausgiebig begutachtet. 
Bevor es für die Kröte über die Straße geht, wird der Retter ausgiebig begutachtet.  © Funke Medien Thüringen | Jana Scheiding

Auf ihrem Weg zum Naturschutzgebiet Kesselborn sollen die Amphibien so gut es geht beschützt werden. „In den vergangenen Jahren nahm die Zahl der Tiere ab“, weiß Henry Kraft, einer der wenigen jüngeren Freiwilligen. Er hält eine Kröte in die Kamera. Das Objektiv ist dem Tierchen vollkommen egal, die rote Fleecejacke ihres Retters erscheint weitaus interessanter. „Trotzdem ist die Region um den Kesselborn ein schützenwertes Gebiet.“ Kraft finde es traurig, dass bei den Bauarbeiten an der Straße vor wenigen Jahren nicht an eine Untertunnelung für Kröten, Frösche und Molche gedacht wurde.

Ohne Arbeitseinsätze droht Vollsperrung

„Bei unserem knappen Kreishaushalt hat es aber wenig Sinn, einen entsprechenden Antrag einzubringen, das ist einfach nicht denkbar“, sagt Seidemann. „Wenn wir die Arbeitseinsätze nicht mehr durchführen können, wird als Alternative wohl nur eine Vollsperrung der Straße in Frage kommen“, schätzt er. Der Aufwand sei enorm, fast ein ganzer Tag gehe für die insgesamt 900 Meter Zaun-Installation ins Land. Das kann ein weiterer Helfer nur bestätigen. Direkt an der Straße ins Erdreich zu gelangen, sei wegen der Bankette – neben der Fahrbahn befindlicher Teil der Straßenkrone – schwierig. An der Tälermühle seien die Bedingungen besser.

Während Frösche eher in der Seenlandschaft Rothehofbachtal anzutreffen sind, seien am Kesselborn vornehmlich Kröten und neben Berg- und Teich- auch der Nördliche Kammmolch mit europaweit besonderem Schutzstatus zwecks Familiengründung unterwegs. Bei dieser selten vorkommenden Gattung zähle jedes Tier dreifach, sagen die Naturschützer. Unterwegs sind die Amphibien voraussichtlich bis Ende April, das hänge vom Wetter ab. Der Verein wird sich so lange um deren sichere Überwindung der Straße kümmern, „bis keine mehr laufen“.

Tipps vom NABU

Die Saison hat in diesem Jahr sehr früh begonnen und wird voraussichtlich länger andauern. Botschaft an Autofahrer: Bei mehr als 30 Stundenkilometern können die Tiere durch den Strömungsdruck sterben, ohne vom Fahrzeug berührt worden zu sein. Der Luftsog bringt die inneren Organe der Amphibien zum Platzen. Unterstützung bei Fragen rund um die Amphibienwanderung bietet die Natura 2000-Station „Auen, Moore, Feuchtgebiete“ des Saale-Holzland-Kreises.