Eisenberg. Saale-Holzland: Schwierige Kindheit und auch später hat es Ramona Langethal nicht immer leicht. Doch dann entdeckt sie die Kunst und sieht plötzlich Wege, wo vorher keine waren.

Kreativ zu sein, wurde Ramona Langethal wohl in die Wiege gelegt. „Meine Mutter war kunstbegabt und ich habe zeitig mit dem Malen angefangen“, erzählt die freundliche weißblonde Frau in der Galerie im Steinweg Eisenberg, wo sie unter Regie des hiesigen Kunstvereins bis Anfang April einen Teil ihrer Bilder ausstellt. Doch plötzlich mit 36 Jahren starb ihre Mutter, und die halbwüchsige Ramona hatte andere Sorgen als Kunst und Feinsinnigkeit.

Ihre Mutter konnte gut singen, das handwerkliche Geschick habe sie vom Vater geerbt, sagt Ramona Langethal, Jahrgang 1963. Ihr Berufswunsch habe schon zeitig festgestanden: Porzellanmalerin. Doch daraus wird nichts. Der DDR-Traumberuf rückt in weite Ferne. Mit 14 Jahren muss die Schülerin ihre beiden kleinen Brüder beaufsichtigen, übernimmt allmählich die Mutterrolle. Und nach der Schule muss es irgendwie weitergehen.

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„Nachdem meine Mutter gestorben war, bekam ich eine Stiefmutter. Wir konnten einander nicht leiden, ich musste da raus“, lässt Ramona Langethal am großen Kreativtisch des Kunstvereins ihr Leben Revue passieren. Es sei nicht einfach gewesen, die Welt eines kleinen Dorfes zwischen Jena und Apolda zu verlassen, doch irgendwie habe sie es geschafft. Ramona wird Bäckerin und lernt bald darauf ihren späteren Ehemann kennen.

Zwei Kinder – eine Tochter und ein Sohn – machen die Familie komplett. „Nach der Geburt unserer Tochter konnte ich in der Bäckerei nicht mehr arbeiten. In der Nähe von Bucha durfte ich aber eine Kantine leiten“, erzählt Langethal. Später zieht die Familie nach Schorba, wo sich Ramona noch einmal auf die Schulbank setzt und ihren Facharbeiter für Geflügelzucht absolviert. „Der Prozess vom Ei bis zur fertigen Legehenne hat mich fasziniert“, erzählt sie lächelnd. „Dazu die kleinen Enten und Gänschen, das war eine schöne Zeit.“

Wir nahmen Küken mit nach Hause

Nach der Wende wandelt sich das Bild. Außer Knasthaltung haben die Tiere vom Leben nicht viel zu erwarten. „Die männlichen Küken wurden ertränkt“, erinnert sich die ehemalige Geflügelzüchterin. „Manchmal konnten wir ein paar von ihnen retten, indem wir sie mit nach Hause nahmen.“ Irgendwann habe sie das alles nicht mehr ertragen können. Mit Mann und Kindern zieht sie nach Jena, wo alles größer und der Blick freier ist.

Ramona Langethal ist stolz auf ihre Kinder. Beide besuchten die Waldorfschule, machten ihren Weg, lautet das Fazit der Mutter. „Nur mein Sohn hat zu viel gearbeitet. Möglicherweise kam es deshalb zu dem Unfall.“ Die Nachricht vom Unfalltod des Unternehmers erreicht die Familie an Heiligabend und wirft alles aus der Bahn. Der Vater beginnt zu trinken, die Ehe steht irgendwann vor dem Aus. Ramona Langethal denkt oft an ihren Sohn. „Die Zeit mag Wunden heilen, aber solche nicht“, sagt sie.

Als die Tochter im Juli 2018 heiratet, soll das Leben Langethals, die inzwischen in der Gebäudereinigungsbranche Fuß gefasst hat, nochmals eine Wende erfahren. „Für diesen Anlass hatte ich eine Woche Urlaub genommen. Eines Tages war ich allein zu Hause und fragte mich: Warum hast du eigentlich nie wieder gemalt?“ Noch bevor der Gedanke zu Ende gedacht ist, folgen Taten. „Ich schaute mir Youtube-Videos an, informierte mich über Techniken.“ Vor Öl graut es der Newcomerin anfangs. Mit dem schnell trocknenden Acryl kann sie sich schon mehr anfreunden.

„Gras im Mondschein“ heißt Langethals beeindruckendes Bild, das derzeit die Galerie am Steinweg schmückt.  
„Gras im Mondschein“ heißt Langethals beeindruckendes Bild, das derzeit die Galerie am Steinweg schmückt.   © Funke Medien Thüringen | Jana Scheiding

„Ich habe die ganze Woche quasi durchgemalt“, erzählt Langethal, die inzwischen in Hainspitz lebt. „Meine Emotionen wollten raus. Das war wie ein Fluss, unheimlich befreiend.“ Die ersten Arbeiten fallen gar nicht schlecht aus, die Technik ist aber ausbaufähig. Auf einen Stil will sich die Hobbykünstlerin nicht festlegen. Das ist auch gar nicht notwendig – sie lässt ihren Emotionen einfach weiterhin freien Lauf. Und die sprudeln nach langer Zeit der Einengung hervor wie ein Quell, der nicht so schnell wieder versiegen will.

Versorgte zunächst Freunde und Verwandte

„Mit meinen Erstlingswerken versorgte ich Freunde und Verwandte“, erzählt Langethal und lacht. Später traut sie sich mit ihren Bildern in die Öffentlichkeit. In der Suchthilfe Eisenberg darf sie 2023 ausstellen. „Diese Möglichkeit hatte sich durch meinen Mann ergeben, der seit einigen Jahren trocken ist“, erklärt Langethal. Gut 20 Bilder mit lustigen Kindermotiven malte sie für das Eisenberger Kinderheim. Weder trauriges Schwarz noch aggressives Rot durften in den Motiven vorkommen, lautete die Bedingung. „Die Bilder habe ich dem Kinderheim gespendet.“

„Zwei Himmel“ gehört zu den Lieblingsbildern der Hobbykünstlerin. 
„Zwei Himmel“ gehört zu den Lieblingsbildern der Hobbykünstlerin.  © Funke Medien Thüringen | Jana Scheiding

Was sie beim Malen empfindet? „Wenn ich male, muss ich an nichts denken, die Arbeit beruhigt mich“, erwidert Langethal. Nach Inspiration müsse sie nicht lange suchen. Da genüge manchmal das Gespräch mit den Nachbarn über den Gartenzaun. „Wenn mir jemand etwas erzählt, entstehen in meinem Kopf Bilder, die ich auf die Leinwand übertrage.“ Was dabei entsteht, kann man sich getrost in die gute Stube hängen.