Sitzendorf. Inzwischen hat das noch immer namenlose Sitzendorfer Multifunktionsgebäude im Rohbau fassbare Gestalt.

Nein, über das mediale Lieblingsthema, welchen griffigen Namen das Haus künftig tragen soll, der sich auch im Volksmund durchsetzt, will Bürgermeister Martin Friedrich heute nicht reden: „Wir haben es durchaus im Blick. In der Reihenfolge der Dinge, die dringlich erledigt werden müssen, rutscht es aber immer wieder nach hinten.“

Nachvollziehbar, wenn im Bilanzgespräch nach Abschluss des Rohbaus in Sitzendorf die Rede auf all die Unwägbarkeiten des bisherigen Bauablaufes kommt. Unter den Dingen, die zwischendurch Sorgenfalten machten, waren dabei nicht einmal bauliche Unwägbarkeiten, wie etwa die über Gebühr teure Suche nach der in den Plänen nicht korrekt verzeichneten Wasserleitung.

Ermüdende Kämpfe im Vorschriftendschungel

Was dem 34-Jährigen, der im Spätherbst sein drittes Jahr im Bürgermeister-Amt vollendet, wirklich schlaflose Nächte bereitete, sind eher die ermüdenden Kämpfe mit dem Vorschriftendschungel gewesen: „Ich habe selbst noch kein Haus gebaut, aber hier geht es nicht um ein Wohnhaus, sondern um ein öffentliches Gebäude, das mit dem wesentlichen Zweck, der Feuerwehr ein angemessenes Domizil zur Verfügung zu stellen, ein wirklich schlimmes Level an Vorschriften erreicht, sagt Friedrich und ergänzt seufzend: „Meine Albträume handelten nicht von Monstern, sondern von Brandklassen, wirklich sinnarmen Notausstiegstreppen und der Frage, ob die Anzahl von Toilettenbecken im Haus bald die der Fenster übertrifft.“

Natürlich: Ein ehrenamtlicher Bürgermeister kann sich auf den im Tal vielerorts gut beleumundeten Planer Karl-Heinz Bartl verlassen, er hat mit Cornelia Scherf und ihrer 33-jährigen Erfahrung im Bauamt eine kompetente Sachwalterin an seiner Seite, und doch macht er sich keine Illusionen, wen die Bürger letztlich im Guten wie im Schlechten verantwortlich machen: Ihn selbst. „Wir sind hier auf dem Dorf!“, sagt er einsichtig.

Eine Frage, die er schon hundert Mal hörte, lautet: Warum steht denn das Gebäude so nahe am Schwimmbeckenrand? Martin Friedrich kann sich an die Planungsrunden gut erinnern, in den denen der Baukörper fast millimeterweise auf dem Grundstück verschoben wurde. Ein wichtiger Zwangspunkt: das Trafo-Häuschen mitten auf dem Parkplatz. Dass sich die Thüringer Energienetz (TEN) kurz nach Baubeginn entschlossen hat, dass es nun doch durch eine diskrete Variante am Straßenrand ersetzt werden kann, gehört zu den Skurrilitäten solcher Bauvorhaben. Ebenso wichtig: Dort, wo der Bau an der Stirnseite an die Ortsdurchfahrt stößt, wird das Obergeschoss ohne Treppe erschlossen, da wollen der Gehweg und die Neigungswinkel für Rollstuhlrampen gut aufeinander abgestimmt sein.

Wer jetzt auf den wuchtigen Riegel schaut, der nun den Ortsausgang prägt, ahnt, dass 1,5 Millionen Euro schnell verbaut sind. Der ursprüngliche finanzielle Ansatz wird nicht reichen, obwohl alles getan wurde, um ihn einzuhalten: So hat der Gemeinderat die Ausschreibung für das Dach, die ein deutlich überhöhtes Ergebnis hatte, aufgehoben und wiederholt. Ein Schritt nicht ohne Risiko, immerhin müssen die Baulose – dreizehn an der Zahl – ineinandergreifen, will man auch irgendwann fertig werden. Der Mut wurde belohnt: mit einem deutlich günstigerem Angebot als beim ersten Versuch. Auch, dass so etwas schiefgehen kann, bekam ein konkretes Beispiel. Der Außenputz wurde im zweiten Versuch nochmals teurer. Doch aufgehoben ist aufgehoben, und irgendwann drängt der Ablauf. Inzwischen ist ein Großteil der Lose vergeben, und solche Überraschungen sind mehr oder weniger vom Tisch.

Beim Rundgang ergeben sich manche Details, die man wirklich zweifach hören muss: Eine Garage mit Feuerwehrautos hat manche Tücke. Bei Alarm darf niemand zu Fuß vor dem offenen Rolltoren unterwegs sein, das bedingt also eine zweite Zugangstür, ein Treppenhaus muss zusätzlich mit einer Luftschleuse abgesichert sein und braucht einen Notausgang, ganz egal, ob alle ohnehin über die Ausgänge zur Straße hin viel schneller in Sicherheit sind.

Gut die Hälfte des Baus dient den Zwecken der Feuerwehr, und über die Doppelgarage, obwohl es nur ein großes Fahrzeug gibt, diskutiert auch keiner mehr: Wir werden in kommunaler Zukunft auch die Strukturen im Brand- und Katastrophenschutz im Schwarzatal überdenken müssen. Wenn es soweit ist, haben wir ein räumliches Angebot“, macht der Bürgermeister klar.

Die andere Hälfte hat außer den Räumen für die Tourist-Information und den Funktionen des Schwimmbades inklusive eines überdachten Zugangs und einem Kiosk im Erdgeschoss oben drüber vor allem einen Zweck: den eklatanten Sitzendorfer Mangel an öffentlich zugänglicher Saalkapazität zu lindern. Bei allem, was dem Schwimmbad dient, muss sich die Gemeinde, ob sie will oder nicht, auf eine schwierige Gratwanderung begeben: Der Bestandsschutz der alten Anlage darf in sich nicht gefährdet werden, weil ein grundhafter Neubau nicht zuletzt finanziell in sehr weiter Ferne läge.

Viele Details der künftigen Ausstattung sind längst bedacht, andere werden sich womöglich in letzter Minute ergeben, doch die Zuversicht, dass im 650. Sitzendorfer Jubiläumsjahr 2020 die Einwohnerschaft mit Freude und Stolz auf den dann eingeweihten – und womöglich nicht mehr namenlosen – Bau blicken wird, ist inzwischen mit Händen zu greifen.