Saalfeld. 153.000 Gäste-Übernachtungen im ersten Halbjahr im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt – Branche ringt um Fachkräfte
Der Landkreis Saalfeld-Rudolstadt verzeichnete im ersten Halbjahr des Jahres rund 153.000 Übernachtungen von Gästen aus dem In- und Ausland – das sind 145 Prozent mehr als in der ersten Jahreshälfte 2021. Wenig verwunderlich, denn im vergangenen Jahr galt zum Teil noch ein Beherbergungsverbot bei Privatreisen. Darauf macht die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten aufmerksam. Die NGG beruft sich dabei auf aktuelle Angaben des Statistischen Landesamtes.„Dass wieder viel mehr Urlauber und Geschäftsreisende in den Kreis Saalfeld-Rudolstadt kommen, ist für das Hotel- und Gaststättengewerbe eine gute Nachricht – vor allem auch für die Beschäftigten.
Klage über kurzfristige Dienstplan-Änderungen
Nach zweieinhalb Jahren Pandemie kehrt die Branche Stück für Stück auf das alte Niveau zurück“, sagt Jens Löbel, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) für die Region Thüringen. Von der Normalität seien viele Hotels, Pensionen und Wirtshäuser aber noch weit entfernt. Der Grund: Den Unternehmen gelingt es nach Beobachtung der Gewerkschaft kaum, genug Personal für die wachsende Arbeit zu finden. Zwar hätten derzeit viele Branchen mit dem Mangel an Fachleuten zu kämpfen, doch im Gastgewerbe falle die Suche nach qualifizierten Kräften besonders schwer.
Das liege vor allem an den Arbeitsbedingungen, urteilt Löbel. So klagten im letzten DGB-Ausbildungsreport 59 Prozent der angehenden Hotelfachleute und 54 Prozent der Azubis in der Küche, regelmäßig Überstunden machen zu müssen – ein Spitzenwert. „Wer im Gastgewerbe arbeitet, ist nicht nur spätabends oder am Wochenende im Einsatz. Die Beschäftigten erfahren oft auch erst am Vortag vom Chef, dass sie einspringen sollen. Zum Beispiel, weil sich die Wettervorhersage geändert hat und einen Run auf den Biergarten erwarten lässt. So kann aber niemand seinen Alltag planen – schon gar nicht, wer Kinder hat“, so Löbel.
Nach Einschätzung des Gewerkschafters ist ein erheblicher Teil der rund 1.050 Menschen, die das Gastgewerbe im Kreis Saalfeld-Rudolstadt laut Arbeitsagentur beschäftigt, von diesen kurzfristigen Dienstplan-Änderungen betroffen.
Wer sich für die Branche entscheide, wisse, dass die Arbeitszeiten anders seien als in einem Bürojob. „Wichtig ist zugleich eine Personaldecke, die dick genug ist, um auch kurzfristig Events wie Geburtstage oder Hochzeiten ausrichten zu können“, betont Löbel. Um Arbeitszeit und Dienstplanung fair zu regeln, sollten sich die Betriebe zu tariflichen Standards bekennen. Dort, wo es einen Betriebsrat gebe – etwa in Hotelketten oder in der Systemgastronomie – könnten Lösungen mit der Arbeitnehmervertretung gefunden werden.
Gute Nachricht: Löhne in der Branche steigen
In einem entscheidenden Punkt seien Hotels und Gaststätten als Arbeitgeber bereits attraktiver geworden: Die Löhne in der Branche steigen nach dem aktuellen Tarifvertrag für Thüringen deutlich. So klettert der Einstiegsverdienst im Rahmen der Laufzeit auf über 13 Euro pro Stunde. Fachkräfte mit zweijähriger Betriebszugehörigkeit (Tarifgruppe 6) kommen so ab Oktober auf einen Stundenlohn von 14,23 Euro. „Das ist ein enormer Schub fürs Portemonnaie der Beschäftigten. Jetzt kommt es darauf an, dass die Firmen den Tariflohn auch zahlen – und bei den Arbeitsbedingungen nachlegen“, so Löbel. red