Zoppoten. Kürzlich wurde sie 80 – die Orgel in der kleinen schmucken Kirche spielt sie noch immer.

Wenn Leonore Korb aus Zoppoten an der Orgel „Nun danket alle Gott“ erklingen lässt und dazu ihre Stimme erhebt, lächelt sie. Sie gibt die eigene Freude weiter, die sie beim Musizieren hat und die man ihr ansieht. Dabei ist es nicht nur die Musik, die die ­80-Jährige beschäftigt. Aber ein bisschen kürzer treten wolle sie jetzt schon – sagt sie und lächelt.

Zu Hause im Wohnzimmer hat sie ein Klavier stehen. Aber sie spielt lieber die Orgel. „Die Choräle will ich im Pedal spielen.“ Und so geht sie immer noch zu jedem Gottesdienst die Dorfstraße hoch und die Anhöhe ­hinauf in die kleine schmucke Kirche. Stets nimmt sie Blumen mit für den Altarschmuck. Auch die Glocken lassen sie und Ehemann Siegfried Korb läuten.

Leonore Korb ist es wichtig, der Zukunft Raum zu geben, Gottes Wort in die Welt zu tragen. „Ich würde unsere Kirche einfach aufschließen, junge Mütter ermuntern, mit ihren Kindern und allen nötigen Utensilien in unserer kleinen Kirche zu nächtigen.” Sie sagt, es sei ein wunderbares Gefühl. „Manchmal lege ich mich nach dem Orgeln einige Zeit auf eine Bank und hänge den Gedanken nach.” Die Augen schließen, den Geräuschen nachhören. das Uhrenticken aus dem Turm, dem Schlag lauschen, zählen, die ­Ruhe genießen.

Rückblick: Im Jahr 1967 war es, als sie aus Kölleda nach Zoppoten zog. Ihren Mann hatte sie durch die Arbeit und Weiterbildung in der Landwirtschaft in Schwerin kennengelernt. Drei Kinder bekam das Paar. „Die Kirche gehörte bei mir immer dazu, zu Hause schon, und auch in Zoppoten“, sagt sie. Sang Leonore früher im Kinderchor, musizierte im Posaunenchor und war in der Jungen Gemeinde, trat sie dann in den Kirchenchor Saalburg ein, da es in Zoppoten keinen Chor gab.

Am Anfang sei es nicht leicht gewesen, im Dorf kannte sie keinen. Dann haben sie das Haus ausgebaut. Die Schwiegereltern und eine Tante wohnten mit im Anwesen, welches jetzt 320 Jahre alt ist und früher zu einem Rittergut gehörte. Und so kam es, dass Leonore Korb, die in ihrer Arbeit schon mal mit dem Mähdrescher fuhr, zu Hause mauerte und malerte. „Eine meiner ersten Investitionen war ein Klavier“, sagt sie. Und: „Wenn man baut, fühlt man sich heimisch.“ Und so kam es.

Der ehemalige Pfarrer Michael Thurm erinnert sich: „Als ich 1976 als Vikar mit meiner Familie nach Zoppoten kam, war sie eigentlich die Einzige, die uns Hilfe und Unterstützung anbot, obwohl sie damals wie ­alle anderen Frauen voll berufstätig war und dazu für drei Kinder zu sorgen hatte. Sie gehörte zu den ersten drei Frauen im Gemeindekirchenrat, damals noch ohne Stimmrecht. Allerdings war sie es auch, die sich vehement für das Kinderabendmahl stark machte und zusammen mit anderen Müttern anfing, die Hostie mit ihren Kindern zu teilen.“ Regelmäßig versah sie den Kirchendienst. Und sie übernahm die Arbeit eines Küsters, entzündete früh das Feuer, denn seit 1910 hatte die Kirche eine Dampfheizung.

Doch das war längst nicht alles: Viele Jahre organisierte sie das Adventssingen mit den Kindern, die von Haus zu Haus gingen, um Freude zu bringen. „Ein Dienst voller Nachhaltigkeit für diese Kinder bis zum heutigen Tag“, weiß Michael Thurm. Er erinnert sich: „1980 wurde unser ehrenamtlicher Kantor Sander Schwarz aus Friesau, er hatte Weihnachten 1969 als ­13-jähriger den Orgeldienst begonnen, zum Wehrdienst eingezogen. Guter Rat war teuer, wer sollte die Orgeln spielen? In dieser Situation kam Leonore Korb zu mir und erklärte, dass sie als junges Mädel Klavierspielen gelernt habe, da könne sie doch nun auch noch Orgel lernen.“ Gesagt getan.

Mit 41 Jahren begann die Zoppotenerin Orgelunterricht zu nehmen. „Ich wollte nicht nur etwas spielen, sondern auch die Prüfung“, sagt sie. „Wenn schon, denn schon.“ Zur Ausbildung fuhr Leonore Korb jeden Monat einmal mit dem Auto nach Eisenach. Auch im Winter. „Einmal lagen auf der Autobahn die Lkw im Graben“, erinnert sie sich. Hatte sie keine Angst? „Ich habe immer den Herrn, habe die Engel bei mir gehabt.“ Als sie einen Platten hatte, wechselte sie unterwegs das Rad. Und: „Wenn ich zum Orgelkurs gefahren bin, hatte ich mich früh um drei oder vier an die Orgel gesetzt, um zu üben. Bis die Nachbarin sagte: Frau Korb, können Sie auch etwas leiser spielen?“ Die Ausbildung schloss sie erfolgreich mit der ­C-Prüfung ab. Und spielte seitdem immer sonntags die Orgel in der Kirche. Auch in anderen Orten. „Die Klöße fürs Mittagessen hatte ich vorher gemacht“, verrät sie.

Nach 1989 war Leonore Korb in einer sogenannten SAM-Maßnahme im ganzen Kirchspiel mit dem Freizeitheim in Friesau aktiv, koordinierte die ABM-Angestellten, organisierte Aufträge. Der Pfarrsaal, der Friedhofszaun und anderes wurde erneuert. „Ich habe auch mit Wände gemauert“, sagt die Seniorin. Anfang 2000 nahm sie auch noch an einer Lektorenausbildung teil. Als sie merkte, dass es zu viel an ehrenamtlichem Tun wurde, entschied sie sich für die Orgel. Leonore Korb besuchte gerne Kirchentage, war mit ihrem Ehemann viel unterwegs, zuletzt in Israel und Jordanien. Freude hat das Paar an zehn Enkeln, das jüngste ist anderthalb Jahre alt. Die Mitgliedschaft im Kirchenvorstand hat Leonore Korb mittlerweile abgegeben. Hier war sie viele Jahre, von Anfang der 1970-er Jahre bis 2013 engagiert. Dafür ist jetzt der Sohn, der mit seiner Familie in der oberen Etage ihres Hauses wohnt, im Kirchenrat von Zoppoten. Und Leonore Korb geht bei hohen Geburtstagen zu den Leuten im Ort, um zu gratulieren – und nicht nur zu den runden Jubiläen. Fast scheint es als wollte Ehemann Siegfried seine Frau manchmal etwas bremsen. Aber dann sagt er: „Ich bin stolz auf sie.“ Und lächelt.

„Bis hierher hat mich Gott gebracht, durch seine große Güte“ ist eines ihrer liebsten Lieder, wie Leonore Korb sagt. Denn singen und Orgel spielen, das liebt sie bis heute.