Schleiz. Aleksandra Batalceva aus Perm im Uralvorland hat beim „Beobachten“ im Krankenhaus viel gelernt und wunderte sich über die wenigen Menschen abends auf den Straßen

„Beobachten“ heißt das Lieblingswort in deutscher Sprache, das die russische Medizinstudentin Aleksandra Batalceva von ihrem zweiwöchigen Aufenthalt in Schleiz mit nach Hause nimmt. Sie war zwei Wochen lang Praktikantin in der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe im Kreiskrankenhaus Schleiz. Und dort durfte sie vor allem eines: beobachten.

Auch wenn sie keine behandlungs- oder operationsunterstützenden Handreichungen ausführen durfte, habe ihr der Au­fenthalt viel gebracht. „Es war der erste praktische Kontakt mit meinem künftigen Beruf. Ich habe viel gelernt, zumal es diese Möglichkeit in Russland nicht gibt“, sagte Aleksandra Batalceva. Die 20-Jährige studiert Medizin an der Universität in ihrer knapp eine Million Einwohner zählenden Heimatstadt Perm im Uralvorland. „Mein Vater sagte mir, dass ich mein Praktikum entweder in Israel oder in Deutschland, den Ländern mit dem besten Gesundheitswesen, machen soll. Also habe ich mich über eine russische Agentur um ein Auslandspraktikum beworben. Auf diese Weise wurde ich an das Krankenhaus in Schleiz vermittelt“, erzählte die Studentin. Nachdem sie in Schleiz erfuhr, dass das Krankenhaus kein Geld für Praktikum und Unterkunft im Schwesternwohnheim verlange, zeigte sich Batalceva sehr überrascht, dass die russische Agentur für ihre Dienstleistung umgerechnet über 800 Euro verlangte. „Das ist deutlich mehr Geld, als ein russischer Fabrikarbeiter im Monat als Lohn erhält“, sagte die Studentin, die ihren Flug und die Reise mit dem Fernbus von Berlin nach Schleiz selbst bezahlte.

Grundlage für das Auslandspraktikum war ein Englisch-Examen. Da die Medizinstudentin kein Deutsch spricht, war sie froh darüber, dass sie sich in Schleiz mit einigen Ärzten auf Englisch und einer Arztanwärterin auf Russisch unterhalten konnte. „Mir wurde während meines Praktikums alles sehr gut erklärt, alles über die Patienten und ihre Krankheiten. Ich durfte sogar bei einer Operation dabei sein und alles beobachten“, sagte die 20-Jährige, die zu Hause bei ihren Eltern lebt, welche bei der Polizei arbeiten. Neu war für sie als Einzelkind, dass sie in Schleiz auf sich allein gestellt war, dass sie sich ihr Essen abends im Wohnheim selbst zubereiten musste. In ihrer Freizeit sei sie gern durch Schleiz spazieren gegangen. Sie habe mit einer neuen Bekannten den Stausee, Schloss Burgk, den Saaleturm sowie die Bergkirche besucht. Und sich gewundert, wie wenig Menschen abends in Schleiz auf der Straße unterwegs seien. Als sie am Neumarkt das kostenlose WLAN immer wieder für Videotelefonate nutzte, sagte ihr Vater: „Wo sind die Menschen?“ Und Oma: „Es sieht sehr märchenhaft aus.“ Denn in Perm sei es vielerorts grau in grau.

„Bei meinen Gesprächen und Begegnungen in Schleiz war ich angenehm überrascht, dass viele Menschen gut über Russland und Putin sprechen. Das hatte ich so nicht erwartet“, sagte Aleksandra Batalceva, die sich am heutigen Donnerstag auf den knapp fünfstündigen Heimflug mit Umsteigen in Moskau begibt. Noch zwei Jahre habe sie in Perm zu studieren, bis sie ihr Medizinstudium abschließen kann. Sie werde sicherlich noch einige Auslandspraktika machen. „Doch leben und arbeiten möchte ich in Russland, auch wenn die Löhne dort niedriger sind“, sagte Batalceva.