Hirschberg. Individuelles Reisen junger Ostdeutscher ab Mitte der 1980-er Jahre bis in Wendezeiten für einen Abend lang neu entdeckt.

Ist der DEFA-Film „Und nächstes Jahr am Balaton“ aus dem Jahr 1980 für Sie noch ein Begriff? Er basiert auf der Erzählung „Ich bin nun mal kein Yogi“ von Joachim Walther und steht – mal grob zusammengefasst – für individuelles Reisen junger unangepasster Leute zu DDR-Zeiten per Anhalter in Richtung von Bulgariens Schwarzmeerküste. Abseits von all dem Organisierten à la Jugendtourist und/oder FDGB, war ab Mitte der 1980-er Jahre auch Roland Barwinsky immer wieder trampend unterwegs.

Pianist Viacheslav Apostel-Pankratowsky wird die Besucher mit einem Medley von Weihnachtsliedern auf den Abend einstimmen.
Pianist Viacheslav Apostel-Pankratowsky wird die Besucher mit einem Medley von Weihnachtsliedern auf den Abend einstimmen. © OTZ | Roland Barwinsky

Kommenden Freitag, es ist der 13. Dezember, möchte er ab 19 Uhr möglichst viele Interessierte jeden Alters an seinen Erlebnissen von damals teilhaben lassen, wenn es in der Villa Novalis zu Hirschberg heißt: „Weihnachten in Siebenbürgen – Begegnungen in Osteuropa.“ Barwinsky geht an diesem Abend mit einem frisch durchgestylten Vortrag an den Start. Bei allen technischen Fragen im Vorfeld stand ihm Harald Kießling zur Seite. Passend zur Jahreszeit, soll der Pianist Viacheslav Apostel-Pankratowsky mit einem gut 15-minütigen Medley von Weihnachtsliedern für einen stimmungsvollen Einstieg sorgen.

Zum Probieren gibt es für die Besucher mit Tzuika Selbstgebrannten aus dem Ort in Rumänien, wo der Hirschberger Weihnachten 1988 verbrachte. Kommt das Paket rechtzeitig bei Roland Barwinsky an, werden die Gäste zudem in einer aktuellen Ausgabe der Siebenbürgischen Zeitung mit mehreren Buchrezensionen von ihm blättern können.

Vorträge gibt es in der Villa Novalis seit dem vergangenen Jahr

Rückblende: 2018 nahm man in der Villa Novalis den Zyklus der Vorträge zu den unterschiedlichsten Themen auf und schaffte so eine weitere Bereicherung des Programmangebotes für an Kultur interessierte Zeitgenossen nicht nur aus dem Saale-Orla-Kreis. Dieses Jahr im Februar sprach Harald Kießling über „Klassische Musik in Hirschberg 1911 bis 2019“. Dem schloss sich Mitte Mai Steffen Bachmann an, der über „Kulturhistorische Namen rund um Hirschberg“ referierte. Um nur diese beiden Beispiele zu nennen. Und mit Blick auf das Programm 2020, welches gegenwärtig erarbeitet wird, bestätigte Jürgen Schwab in der vorigen Woche auf Nachfrage, dass es ebenfalls übers Jahr verteilt wieder Angebote dieser Art geben wird.

„Weihnachten in Siebenbürgen“ – zum Einstieg am Freitag wird Roland Barwinsky sein Publikum erstmal mitnehmen in diese Region Rumäniens, möchte er auch in Form von bewegten Bildern mit Land und Leuten vertraut machen. Kennenlernen wird man dabei Martin Schertler, der in den Begegnungen des Hirschbergers mit Osteuropa eine ganz wichtige Rolle spielte. Sein quasi „Mentor“ ist Jahrgang 1926, Rumäniendeutscher und im Banat geboren. „Während des zweiten Weltkrieges hat Rumänien ja im August 1944 die Seiten gewechselt. Und im Januar 1945 wurden die Rumäniendeutschen ausgehoben und zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert. Martin Schertler war in Donezk, wurde später in den Zug gesetzt und kam 1948 in die spätere DDR. Erst war er in der Landwirtschaft tätigt, bis Russischlehrer gesucht wurden“, berichtete Roland Barwinsky, der in Sachsen-Anhalt das Licht der Welt erblickte. „Und von diesem, meinem Russischlehrer habe ich das erste Mal den Begriff Siebenbürgen gehört. Seine ganze Geschichte hat er mir aber erst bei einem Klassentreffen vor wenigen Jahren erzählt.“

Thematisieren möchte der Hirschberger für das Publikum in der Villa Novalis auch die siebenbürgischen Silvesterbräuche.
Thematisieren möchte der Hirschberger für das Publikum in der Villa Novalis auch die siebenbürgischen Silvesterbräuche. © OTZ | Roland Barwinsky

Der „Stachel“ war gesetzt und das Fernweh bei dem jungen Mann geweckt. Nach dem Abitur wurden nicht nur die Haare bei ihm länger, sondern er war auch im Besitz eines Internationalen Studentenausweises, der ihm auf seinen Reisen gen Süden manche Tür öffnete. „Dazu kam noch, dass in den 1970er Jahren im Osten das entstanden ist, was heutzutage als Blues- und Trampszene firmiert. Einer der Protagonisten war ‚Monokel‘. Und bei Konzerten dieser Band haben mir Leute die urigsten Trampgeschichten über Reisen nach Bulgarien, Rumänien oder Ungarn erzählt. Manche sind sogar mit einem Transit-Visum durch die damalige Sowjetunion getrampt“, erinnerte sich Roland Barwinsky, der das alles zunächst gar nicht glauben konnte. Bis er es dann selbst – bis hin zu seinem ersten Gottesdienst überhaupt Weihnachten 1987 in Hermannstadt – erlebte.

An dieser Stelle soll sich zunächst mal der Kreis mit der Erwähnung des Fotos von Maria Reuss – „das ist eine Siebenbürgerin, die mir über mehrere Jahre Quartier gegeben hat“ – im Vortrag schließen. In der Hand hält sie das eingangs erwähnte Buch „Ich bin nun mal kein Yogi“ von Joachim Walther. Wer mehr erfahren möchte, sollte am Freitag einfach mal rumkommen.

Nur kurz angerissen sei noch die Trabitour, die Barwinsky zusammen „mit zwei anderen verrückten Typen“ im Sommer 1990 unternahm. Den fahrbaren Untersatz hatten sie sich für 300 DM besorgt. Über Plauen und die damalige Tschechoslowakei ging es zwei, drei Tage gen Süden bis nach Siebenbürgen. Und nicht gen Westen, was damals ja gewissermaßen Hauptreiserichtung für nahezu alle anderen war. „Mit dem Trabant waren wir sogar in Belgrad und dann ging es zurück. Bis Plauen hat er tapfer durchgehalten…“.