Tanna. Christel Werner und Wolfgang Tiefensee zum Schichtwechsel in Tanna

Nachdem fast alle 240 Frühstückstüten verteilt waren, zeigte sich SPD-Spitzenkandidat Wolfgang Tiefensee optimistisch. „Noch können wir es reißen. Denn 30 Prozent der Wähler sind noch unentschlossen.“ Tiefensee, der SPD-Kreisvorsitzende Frank Roßner und weitere Parteifreunde unterstützten die parteilose Schleizer Direktkandidatin Christel Werner, die am Freitag zwischen 5 und 7 Uhr beim Schichtwechsel am Werktor der Gealan Tanna Fenster-Systeme GmbH Gespräche mit Beschäftigten führte. „Kaum jemand hat eine Frühstückstüte abgelehnt. Das war nicht bei ­allen Frühverteilaktionen vor Betrieben so“, sagte der wahlkämpfende Tiefensee, dessen SPD laut Umfragen des ZDF-Politbarometer gut eine Woche vor der Landtagswahl auf neun Prozent der Stimmen käme. Beobachtet wurde der Wahlkampf in Tanna auch von einem Spiegel-TV-Kamerateam.

Thüringens Wirtschaftsminister Tiefensee würdigte beim ­anschließenden Gespräch im Unternehmen, dass der am Standort Tanna rund 530 Mitarbeiter zählende Kunststofffenster-Profilhersteller einen Betriebsrat habe. Jedoch würde er sich auch Bezahlung nach Tarif wünschen. Personalleiter ­Michael Grüner sagte, dass sich die Bezahlung der Mitarbeiter an den geltenden Tarif anlehne. Das Unternehmen bevorzuge ­individuelle Lösungen anstatt überregional ausgehandelte Tarifverträge. Da man den vielen Pendlern im Unternehmen unnötige Fahrten ersparen wolle, würden die Mitarbeiter in der Produktion pro Arbeitstag 11,5 Stunden bei 1,5 Stunden bezahlter Pause arbeiten, dafür aber drei Tage am Stück frei haben.

Tiefensee gegen ideologische Debatten

Ab nächstem Jahr werde der Jahresurlaub auf 30 Tage erhöht, so Grüner. Tiefensee warb dennoch für mindestens einen Haustarifvertrag, da dieser auch bei der Gewinnung von Lehrlingen und neuen Mitarbeitern von Vorteil sein kann.

„Wir haben bereits einige ­Betriebsvereinbarungen auf den Weg gebracht. Wenn man diese zusammenfasst, hätten wir bereits drei Viertel von einem Tarifvertrag. Doch es bedarf noch etwas Überzeugungsarbeit“, sagte Wieland Schneider, seit 2012 Betriebsratsvorsitzender in ­Tanna.

„Gealan hat als Arbeitgeber einen sehr guten Ruf in der Region“, sagte der SPD-Kreisvorsitzende und Präsident des Landesverwaltungsamtes, Frank Roßner.

Bei Gealan arbeiten inzwischen 30 Flüchtlinge, darunter aus Syrien, sagte Produktionsleiter Torsten Eichner. „Das zeigt, dass die Leute arbeiten wollen. Viele Syrer haben mir gesagt, sie sind nach Deutschland gekommen, weil man hier mit Leistung Geld verdienen kann. Doch wir stecken sie ins Flüchtlingsheim, geben ihnen Geld und lassen sie nicht arbeiten. Nach zwei Monaten denken sie sich: ‚Aha, so tickt das Land. Ich muss nicht arbeiten und bekomme trotzdem Geld.‘ Das ist ein großer Fehler“, sagte Tiefensee.

Auf die Frage Roßners, ob Gea­lan Probleme sehe, weil Plastik in politischen Debatten verteufelt werde, sagte Torsten Eichner, dass die Kunststoff­fenster sehr hohe Dämmwerte haben und zu 100 Prozent recycelbar seien, anders als mit Farbe beschichtete Holzfenster. Im Unternehmen würden nicht nur Ausschuss, sondern jährlich auch 4000 Tonnen Altfenster recycelt und das Material der Produktion zugeführt.

„Wir brauchen keine ideologischen Debatten“, sagte Tiefensee. Bei dem Einzugsgebiet, aus dem die Gealan-Mitarbeiter kommen, werde man nicht auf Individualverkehr verzichten können, stellte er fest.