Hirschberg. Richard Siedhoff machte Villa Novalis am Sonntagabend zum romantischen Wohlfühlort

Mit mitgebrachten Filmschätzen aus der guten alten Zeit, einem ratternden Vorführapparat sowie nicht zu bremsender musikalischer Improvisationsfreude reiste Richard Siedhoff am Sonntagabend in der Hirschberger Villa Novalis gedanklich recht weit zurück. Genauer in die Zeit, als die Bilder laufen lernten und von einer digitalen Welt nicht ein einziger Mensch auf diesem Planeten auch nur ansatzweise etwas ahnte.

Mitgebracht hatte der Gast aus Weimar insgesamt fünf von ihm bearbeitete Stummfilme, die zwischen 1916 und 1929 entstanden. Für den nostalgischen Ausflug in die analoge Welt lieferte er dazu am Piano passende Begleittöne.

„Das Pfandhaus“, Auftaktprogramm mit Charlie Chaplin, sorgte umgehend für pralles Durcheinander, für freudvolle Dauer-Turbulenzen sowie Adrenalinschübe bei den Hinsehenden und Hinhörenden. Chaplin ist natürlich gut drauf, spielt einen umtriebigen Gehilfen. Der eckt überall an, schaut bei der hübschen Tochter seiner Arbeitgebers genauer hin und sorgt nebenbei für ständiges Chaos. Genau diese sich von Szene zu Szene hochschaukelnde Komik inspirierte den Mann links neben der Leinwand. Der Unterhalter sorgte mit spielerischer Wollust für schrille Töne. Ja, sein pittoreskes Notenmeer eroberte unerbittlich den Raum. Die lebendige Handlung wollte es wahrscheinlich so.

Und dass Humor stetig steigerungsfähig ist, bewies das danach folgende filmische Werk „Das Boot“ mit Buster Keaton. Ein Schiff marschierte darin mit zerstörerischer Wucht von einer Garage direkt ins Meer. Natürlich ist überall „Land unter“. Niemand weiß mehr ganz genau, wo es eigentlich hingehen soll. Mit hämmernder Dynamik schaffte es der Musizierende, die Handlung zu seiner persönlichen Steilvorlage zu machen. Die Verdichtung der Atmosphäre war jetzt das Ziel. Der Weg ­bestand aus der Symbiose zwischen Inhalt plus Ton. Es kribbelte und funktionierte!

Natürlich kenne Siedhoff das vorgestellte Material bestens. Was er genau am Klavier abliefere, stehe aber vorher eigentlich nie so genau fest. Improvisation, Innovation sowie klare Strukturen versuchten in der Villa geballt in der ersten Reihe zu sitzen. Diese Spannung ist vor jedem Auftritt im Kopf von ihm vorhanden und entlädt sich dann in einer druckvollen Vorstellung. Schon als Kind habe er sich fürs Kino interessiert. Heutzutage besitzt der Stummfilmpianist daheim ein ansehnliches Archiv. Eine kleine Auswahl davon schaffte es erstmals bis nach Hirschberg. Nach der Pause entlockte ein Zeichentrickfilm den Besuchern neue Lachtränen. Und „Die Sache mit der Hose“, ein Klassiker mit Laurel&Hardy, verblüffte final nochmals alle Augenpaare plus Ohrmuscheln.