St. Gangloff. Rene Seib hat es verpasst, sein fußballerisches Talent zu vergolden. 1989 kickte er noch gegen Luis Figo und Roberto Carlos.

„Ich schaue nicht gern in die Vergangenheit. Wahrscheinlich liegt das daran, dass ich die Chance, im Profifußball Fuß zu fassen, leichtfertig verspielt habe.“ Das sagt Rene Seib. Der 49-Jährige gebürtige Eisenberger hatte beim FC Carl Zeiss Jena alle Möglichkeiten. Sogar in der U16-Auswahl der DDR kickte das große Talent, stand im Mai 1989 in der Startformation der Nachwuchs-Nationalmannschaft, die im EM-Finale in Dänemark den Portugiesen um Luis Figo mit 1:4 unterlag. Der Sprung zu den Männern war dem heutigen Intensiv-Krankenpfleger aber nicht vergönnt.

Bei der BSG Möwe Eisenberg begann René Seib früh mit der Jagd nach dem runden Leder, konnte sich anfangs nicht zwischen der Leichtathletik und dem Fußball entscheiden. Doch als er nach ersten Berufungen in die Eisenberger Kreisauswahl zudem in der Bezirksauswahl von Trainer Fritz Schattauer zur festen Größe wurde, war die Frage geklärt. In der siebenten Klasse wechselte er an die Kinder- und Jugendsportschule nach Jena, hatte beim FC Carl Zeiss zuvor bei diversen Turnieren reingeschnuppert.

Erst gegen Portugal war Schluss

Michael Molata und Ronald Maul gehörten zu den größten Jenaer Talenten des damaligen Jahrgangs. Beide schafften aber nicht den Sprung in die Nationalmannschaft, der René Seib vorbehalten war. Um sich für die U16-Europameisterschaft zu qualifizieren, musste die Mannschaft von Trainer Eberhard Vogel in Hin- und Rückspiel Nordirland aus dem Weg räumen. Nach einem 0:0 in Belfast machte der DDR-Nachwuchs im Rückspiel alles klar. „In der Sportschule Kienbaum haben wir uns vorbereitet und dann die Nordiren mit 3:1 bezwungen“, sagt René Seib, der in Hennigsdorf wie René Rydlewicz vom BFC Dynamo und Frank Seifert von Dynamo Dresden zu den Torschützen gehörte. Damit war das Ticket für Dänemark gebucht. Auch dort spielte der ostdeutsche Fußballnachwuchs – die westdeutsche Mannschaft war in der Qualifikation an der UdSSR gescheitert – eine gute Rolle.

Nach einem 1:0 gegen Italien, einem 2:2 gegen Schottland und einem 1:1 gegen die Sowjetunion war man punkt- und torgleich Gruppenerster, weil die DDR das erforderliche Elfmeterschießen mit 6:5 gewann. „Da habe ich meinen Elfmeter verschossen, mich dafür aber im Halbfinale beim 3:0 gegen Frankreich als Doppeltorschütze schadlos gehalten“, erinnert sich René Seib genau.

Im Endspiel gegen Portugal war allerdings nichts zu holen. „Die waren mit Luis Figo enorm stark und hatten alle schon einen Bart. Wir konnten vor dem Finale nicht schlafen. Die Portugiesen haben an unseren Türen geklopft, haben die Nacht fast durchgemacht und uns dann auf dem Spielfeld trotzdem zerlegt. Die hatten ein ganz anderes Temperament als wir“, sagt der damals 16-Jährige.

Mit dem Trainer überworfen

Als Vizeeuropameister hatte sich die DDR auch für die U16-WM in Schottland qualifiziert, die nur einen guten Monat später ausgetragen wurde. Nach Siegen gegen Australien (1:0) und die USA (5:2) fiel das 1:2 gegen Brasilien mit Roberto Carlos nicht weiter ins Gewicht. Als Gruppensieger war aber im Viertelfinale beim 0:1 gegen Gastgeber Schottland vor 10.000 Zuschauern Schluss. „Die waren nicht besser als wir. Der Heimvorteil hat den Ausschlag gegeben“, sagt René Seib.

Aus dem folgenden FCC-Jahrgang drängten mit Bernd Schneider, Jörg Böhme und Mark Zimmermann viele Talente nach oben. Für René Seib hingegen ging es bergab. „Ich habe nicht geraucht, ich habe nicht getrunken. Aber ich war frech und ziemlich arrogant. Das kam bei den Trainern und Verantwortlichen nicht gut an“, ist er heute einsichtig.

Nach einem Turnier in Frankreich, bei dem er wegen einer im Training erlittenen Risswunde über dem Auge nicht mitspielen konnte, aber trotzdem gegen seinen Willen mit musste, überwarf er sich anschließend völlig mit Trainer Frank Intek. „Da habe ich mir alles verbaut, so dumm wie ich mich da verhalten habe. Über Nacht bin ich nach Eisenberg zurück und habe seitdem das Kapitel FC Carl Zeiss abgehakt“, sagt er. Sogar die EM-Silbermedaille von 1989 hat er vor Wut weggeworfen. Der Profifußball war für René Seib damit gestorben.

Mit der Eisenberger Eintracht und seiner Valderrama-Dauerwelle schaffte er den Sprung in die Bezirksliga, ehe ihn 1995 Gerhard Hoppe zu Wismut Gera holte. „Ich war nach wie vor besessen vom Fußball. Aber immer wieder haben mich muskuläre Probleme gestoppt. Ich war ständig verletzt, kam deshalb auch in Gera unter Trainer Rainer Schlutter in der Oberliga-Saison 1999/2000 nicht zum Zuge“, weiß Seib noch.

Die einstigen Fußballgrößen, die seine Laufbahn kreuzten kennt er heute allenfalls noch aus dem Fernsehen.