Gera. Noch nicht lange ist Stella Müller Rennrad-Sprinterin, doch EM-Dritte und Vizeweltmeisterin bei den Junioren wurde die 17-Jährige Geraerin bereits.

Robert Förstemann hat eine Aktie daran, dass Stella Müller zum Radsport kam. Die Familie verfolgte 2013 den Sprinter- und Stehertag auf der Geraer Radrennbahn und „Mister Oberschenkel“ trat in die Pedale, was das Zeug hielt. Und nach den Rennen verkündete Stella: „Auf dieser Radrennbahn möchte ich auch einmal fahren.“

Acht Jahre später ist die 17-Jährige mal wieder am Zementoval, im Gepäck zwei internationale Junioren-Medaillen. Wie einst Robert Förstemann ist die Geraerin im Teamsprint erfolgreich, hat Bronze bei der EM in Apeldoorn und Silber bei der WM in Kairo geholt.

Corona diktierte den Wettkampf-Kalender. Deutsche Meisterschaften, EM am 17. August in den Niederlanden und WM-Start am 1. September in Ägypten, es blieb kaum Zeit zum Luft holen, geschweige denn bei der Familie oder dem Heimatverein SSV Gera vorbei zu schauen. Luft holen ist ein Stichwort. Die offene Bahn in Kairo glühte, bis 40 Grad zeigte das Thermometer an. „Das war nicht einfach, mit der Hitze zurecht zu kommen. Wir haben den Schatten gesucht und uns nur bewegt, wenn es drauf ankam“, sagt Stella Müller mit einem Schmunzeln. Kalte Tücher, nasse Handtücher die ständigen Begleiter, wie auch die Masken, nur auf dem Rad ging es ohne.

Dass die deutschen Juniorinnen souverän ins Finale kamen, war schon eine Überraschung. Die Erfurterin Lara-Sophie Jäger, Clara Schneider vom RSV Finsterwalde und Stella Müller unterlagen dem favorisierten russischen Trio (49,292 zu 51,344 Sekunden), doch am Ende des Tages war es Freude pur. „Wir wollten das Finale nur runterfahren. Silber sichern.“

Zuvor hatte Stella Müller wider Willen Stehvermögen bewiesen. „Ich habe nach dem Start das Hinterrad verpasst und musste allein fahren.“ Nicht nur die letzte Runde, wie es die auf Position drei fahrende Teamsprinterin muss, sondern die kompletten 750 Meter. Kein Beinbruch. Stella Müller ist noch Lernende, sie stieß erst relativ spät zu den Sprinterinnen, wechselte im vergangenen Sommer nach Erfurt, trainiert bei Sascha Jäger. Zunächst versuchte sich die Geraerin auf der Straße.

Im letzten Jugendjahr startete sie bei einem Rennen in Eisenach. „Bei den Sprints war sie immer mit vorn. Schnelle Beine hatte sie und ich dachte, da wird sie beim Schlusssprint auch vorn mit ankommen“, erinnert sich Trainer Gerald Mortag. Doch am Ende war sie nicht zu sehen, als es um die vorderen Plätze ging. Dem erfahrenen Trainer schwante, das wird so nichts und schlug vor, ganz auf die Bahn, zu den Sprintern zu wechseln. Die richtige Entscheidung. Und Stella Müller steht erst am Anfang. „Ich möchte schon noch ein paar Jahre dabeibleiben“, sagt sie, will die Ausbildung zur Kinderpflegerin und Leistungssport unter einen Hut bringen.

Sowohl in Apeldoorn als auch Kairo kam die Geraerin „nur“ im Teamsprint zum Einsatz, wäre auch gern im Sprint oder Keirin gestartet, langsamer als ihre Teamkameradinnen ist sie nicht, „ich brauche aber noch Zeit, muss mich taktisch noch verbessern“.

Auch in der kommenden Saison sind die drei Teamsprinterinnen noch im Juniorenalter, die WM ist in Tel Aviv geplant. „Ich möchte schon noch mal auf dem Podest ganz oben stehen“, sagt sie. Wer hätte das gedacht, dass alles so rasant geht. Die Geraerin kommt zwar aus einer Radsport-Familie, doch waren es bei den Müllers die Kinder, die die Eltern zum Sport brachten. Die drei Jahre ältere Schwester Jasmin machte den Anfang, war dreimal deutsche Nachwuchsmeisterin mit dem Bahnvierer, ist inzwischen lizenzierte Trainerin beim SSV Gera, Schwester Leonie startet in der U13. Mutter Stephanie und Vater Stefan absolvierten eine Kommissärs-Ausbildung, kennen sich aus im Radsport. „Wir haben uns gesagt. Entweder ganz oder gar nicht, wenn es darum geht, unsere Kinder beim Radsport zu unterstützen“, sagt Stephanie Müller, „der Wettkampfkalender bestimmt die Urlaubs- und Wochenendplanung. Wir schwärmen regelmäßig aus, da die Kinder oft an verschiedenen Orten im Einsatz sind“.

Am Wochenende geht es nach Erfurt und Sömmerda, in Gera nimmt Stephanie Müller bei den Omnium-Landesmeisterschaften wieder das Mikro in die Hand. Stella Müller hat noch zwei, drei Wettkämpfe vor sich, dann folgt in Frankfurt/Oder die Bahnsichtung. Gut möglich, dass Robert Förstemann mit seinem Tandempartner Kai Kruse auch seine Runden dreht.

Den 35 Jahre alten früheren Bahnsprinter, Vierter der Paralympics in Tokio, freut es natürlich, dass er mit seinen Auf- und Antritten der Auslöser für eine erfolgreiche Laufbahn war.