Bei den Olympischen Spielen 1972 in München holte DDR-Speerwerferin Ruth Fuchs Gold. An die außergewöhnlichen Umstände erinnert sie sich heute.

Beim Treffen der deutschen Medaillengewinner von 1972 kürzlich in München erinnerte Klaus Wolfermann seine Gold-Kollegin Ruth Fuchs an eine nette deutsch-deutsche Speerwurf-Episode. Der „Klassenfeind“ aus Bayern sei quasi „schuld“ an ihrem Olympiasieg gewesen“, grinst die Jenaerin. Und die kleine Geschichte ging so:

Kurz vor den Sommerspielen durfte eine ausgewählte Gruppe von DDR-Medaillenkandidaten in den Westen reisen, um sich die Bedingungen in München anzuschauen. Fuchs, die gerade Weltrekord geworfen hatte, war dabei. „Wir trainierten im Olympiastadion und kamen nicht zurecht. Der Abwurfwinkel war zu steil, denn wir waren Stadien ohne Dach gewohnt, hatten keinen Anhaltspunkt“, sagt Fuchs. Plötzlich kam Wolfermann zu ihr und flüsterte, sie solle den unteren Rand der Dachkonstruktion anvisieren. Plötzlich klappte es und die DDR-Sportler, die in München, das erste Mal unter eigener Flagge antreten durften, konnten beruhigt die Heimreise antreten.

Verletzungspech kurz vor den Spielen

Heute sind Fuchs und Wolfermann, den auch eine tiefe Freundschaft mit seinem 2020 verstorbenen sowjetischen Kontrahenten Janis Lusis verband, gut befreundet.

Dabei hätte Fuchs vor 50 Jahren fast zum zweiten Mal die Spiele verpasst. 1968 sorgten Ellenbogen-Probleme für das Aus. „Ich hatte beim letzten Testwettkampf ein bisschen Angst vor den Schmerzen und ließ mir eine Spritze geben. Das beobachte eine Funktionärin und schwärzte mich an. Bei Olympia dürften nur gesunde Leute starten, sagten sie danach. Ich verlor meinen Platz und diese Frau bekam meine Olympia-Kleidung, die ich eigentlich schon erhalten hatte“, brach für Fuchs damals eine Welt zusammen.

Vier Jahre aber später lief alles nach Plan. Bis die gebürtige Frau aus Egeln bei Magdeburg beim Fußballtennis auf einen Ball trat. „Der Fuß wurde sofort dick und man hat ihn punktiert. Danach bekam ich für meine Muskeln Elektromyostimulation, was ja heute wieder modern ist“, erzählt Fuchs. „Es war knapp, aber München wurde eine Punktlandung“, sagt sie. Vor der Abreise gab es noch Stasigespräche. „Sie erzählten mir, dass man mich dort abwerben würde oder mich mit der Vergangenheit meines Vaters erpressen würde. Doch mein Vater war schon im Mai gestorben“, schüttelt Fuchs den Kopf. Der Wettkampf verlief dann planmäßig. „Ich hatte keine Angst, hatte ja vorher noch keinen Titel gewonnen und deshalb auch keinen Druck“, sagt sie. Fuchs ging schnell in Führung, schaffte im fünften Versuch sehr ordentliche 63,88 Meter und siegte so vor ihrer jungen Mannschaftskollegin Jacqueline Todten aus Berlin.

Auftakt zu einer Siegesserie

Für Fuchs der Auftakt einer langen Siegesserie. 1976 wiederholte sie ihr olympisches Kunststück in Montreal, zweimal wurde sie Europameisterin, die 70 Meter verfehlte sie nur um vier Zentimeter, ehe die Laufbahn 1980 bei Olympia in Moskau mit Rang acht endete.

Unvergessen bleibt jedoch München. „Damals wurden wir vor der Siegerehrung sogar extra geschminkt. Mann, sahen wir mit Westkosmetik gut aus“, hat Fuchs zum Schluss des Gesprächs noch eine Schmonzette auf Lager.

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