Erfurt. Thüringen stellt sich auf eine rasche Ausbreitung des Coronavirus ein. Notfallzentren werden eingerichtet, mehr Betten für schwere Krankenfälle geschaffen. Auch die ersten strengen Verbote gibt es.

Noch einmal Sonne tanken, bevor vielleicht bald nichts mehr geht: Während die Thüringer Landesregierung den Freistaat wegen der Ausbreitung des Coronavirus auf den Ernstfall vorbereitet, haben am Wochenende viele Menschen Erfurt das sonnige Wetter für einen Stadt- oder Einkaufsbummel genutzt. Die Außenbereiche von Cafés, Restaurants und Eisdielen in der Landeshauptstadt waren gut besucht.

Doch mit Jena kündigte bereits am Sonntag die erste Großstadt in Thüringen an, den Betrieb von gastronomischen Einrichtungen zu untersagen. Kneipen, Gaststätten, Bars sowie Sport- und Fitnesseinrichtungen sollen dort ab Dienstag geschlossen bleiben.

Gesellschaftliches Leben wird heruntergefahren

Es ist nicht das erste Anzeichen, dass die Verbreitung des Coronavirus das öffentliche Leben auch in Thüringen immer stärker beeinflusst. „Wir werden das gesellschaftliche Leben Stück für Stück, Schritt für Schritt herunterfahren“, sagte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) am Samstag vor Journalisten. Das werde auch in den nächsten Tagen so weitergehen. Der 64-Jährige berichtete davon, dass auch er seine eigene Einschätzung zur Gefahr der Pandemie und zu den zu treffenden Maßnahmen änderte.

Ein Treffen im Bundeskanzleramt in Berlin gab den Ausschlag. Er sei am Donnerstag mit der Überzeugung nach Berlin gefahren, Thüringer Schulen und Kitas vor den Osterferien nicht zu schließen, sondern stattdessen die Ferien zu verlängern, sagt Ramelow. Und sei dann mit einer anderen Sicht auf die Dinge zurückgefahren. Am Freitag dann die Entscheidung: Schulen und Kindergärten werden geschlossen - ab Dienstag.

Am Samstag wurde dann bekannt, dass Thüringen Veranstaltungen mit mehr als 50 Teilnehmern verbietet. Welche Auswirkungen die neue Verordnung des Landes genau auf das Leben in Thüringen haben wird, ist noch nicht in allen Details absehbar. So ist zum Beispiel unklar, ob es mit dem Erlass auch verboten ist, zum Beispiel Geburtstage oder Hochzeiten mit mehr als 50 Menschen zu feiern.

Erfurt und Jena untersagen komplett Veranstaltungen

Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums sagte, die Frage, inwieweit der Erlass auch für Privatveranstaltungen gelte, könne er derzeit nicht beantworten. Offen blieb zudem, ob es mit der Verordnung auch untersagt ist, dass sich mehr als 50 Menschen gleichzeitig in Sportstudios, Kinos oder Bars aufhalten. „Zur Vorgabe für Veranstaltungen und Menschenansammlungen arbeitet das Landesverwaltungsamt aktuell an einer Handreichung“, erklärte der Sprecher.

Klar sei dagegen, dass die Kommunen noch strengere Auflagen für Veranstaltungen erlassen können als das Land - also Veranstaltungen gänzlich untersagen, so wie beispielsweise Erfurt es bereits getan hatte. Auch Jena untersagt Veranstaltungen komplett.

Ob Kneipen, Bars und Restaurants bald landesweit geschlossen werden müssen, wollte Ramelow zunächst nicht sagen. Aber zumindest so viel: „Dass man die Gesellschaft nicht anhalten kann, das wissen wir.“ Es gebe ein Leben vor Corona, und es werde ein Leben nach Corona geben. Das Leben mit Corona, das versuche man derzeit zu organisieren.

Notfallzentren in Krankenhäusern

Dazu gehört, dass Thüringen die Zahl der verfügbaren Betten mit intensivmedizinischer Betreuung mehr als verdoppeln will - von derzeit 650 auf etwa 1400. In Krankenhäusern sollen Notfallzentren für Patienten mit schweren Covid-19-Krankheitsverläufen eingerichtet werden. „Wir müssen Corona-Zentren aufbauen, und dafür brauchen wir Zeit“, sagte Ramelow. Thüringen müsse nach derzeitiger Datenlage damit rechnen, dass in den nächsten 24 Monaten etwa 60.000 Covid-19-Patienten intensivmedizinisch betreut werden müssen.„Es geht jetzt darum, um Zeit zu kämpfen, um diese Notfallzentren aufzubauen.“ Als Beispiel nannte er die Waldkliniken in Eisenberg, die schon bald keine dort üblichen Operationen mehr vornehmen sollen, „weil sie die Kapazitäten freiräumen müssen, um für Corona vorbereitet zu sein“, sagte Ramelow.

Der Regierungschef machte klar, dass rund 1,5 Millionen Thüringer in den nächsten zwei Jahren von einer Corona-Infektion betroffen sein könnten. „Es ist davon auszugehen, dass sich 70 Prozent der Bevölkerung mit Corona infizieren werden“, sagte Ramelow.

Der CDU-Innenpolitiker Raymond Walk forderte die Einrichtung eines Krisenstabs im Innenministerium. „Das Innenministerium hat die Expertise und die Kompetenz für solche Krisensituationen. Wann wollen wir einen Krisenstab einrichten, wenn nicht jetzt in dieser Situation“, sagte Walk.

Knapp unter der Schwelle des Katastrophenalarms

Ramelow sagte, die Koordination liege derzeit noch beim Gesundheitsministerium. Thüringen sei aber nur noch einen Schritt von der Einrichtung des Krisenstabs im Innenministerium entfernt. „Wir werden in der kommenden Woche nur knapp unter der Schwelle des Katastrophenalarms arbeiten.“ Zugleich warnte er vor Panikmache. „Corona bekämpft man nicht mit Hysterie.“In Suhl Thüringens wurde die zentrale Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete teilweise unter Quarantäne gestellt. Betroffen sind nach Angaben eines Sprechers des Migrationsministeriums rund 530 Bewohner. Eine Person in der Einrichtung wurde nach Angaben der Stadtverwaltung Suhl positiv auf das Coronavirus getestet.

Das Migrationsministerium, die Stadt Suhl, das Landesverwaltungsamt und das Gesundheitsministerium seien in einem engen Austausch, sagte Thüringens Migrationsminister Dirk Adams (Grüne).

Die positiv getestete Person ist nach Angaben seines Ministeriums weiterhin in der Erstaufnahmeeinrichtung - jedoch isoliert und unter ärztlicher Beobachtung. Demnach gebe es genügend Platz für Quarantäne- und Isolierungsmaßnahmen. Die Einrichtung sei für 1200 Bewohner ausgelegt und derzeit nur mit rund 530 Menschen belegt.

Laut Adams wird Thüringen bei dem Easy-System des Bundes für die Erstverteilung von Asylsuchenden vorerst nicht mehr berücksichtigt. „Es kann trotzdem sein, dass noch Leute zu uns auf dem Weg sind. Diese werden empfangen und können sicher untergebracht werden“, sagte Adams. Für die Neuankömmlinge sei in einem separaten Gebäude Platz reserviert - getrennt von dem unter Quarantäne stehenden Gebäude.

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