Altenburg. Vor 30 Jahren: Volker Schemmel tritt der SPD bei, gibt seine Arbeit als Maschinenbau-Ingenieur auf und wechselt in die Politik.

Volker Schemmel, Jahrgang 1942, macht Abitur, arbeitet erst als Chemie-Facharbeiter, absolviert ein Fernstudium und ist dann als Entwicklungsingenieur im Chemiekombinatsbetrieb Böhlen – zwischen Altenburg und Leipzig gelegen – tätig. Er hat gute Kontakte zu Leipzigern, die wollen, dass sich etwas ändert. So kommt auch seine frühe Verbindung zu den Sozialdemokraten zustande.

Umweltfragen beschäftigen ihn: der Dreck in Espenhain, die näher rückenden Tagebaue … Schemmel kündigt zum 1. Januar 1990 in Böhlen, um sich „in dieser Sache voll zu engagieren“, sagt er. „Wir haben Programme gemacht. Wenn wir protestierten, sagten wir auch, was wir wollten.“ Heute sei das anders. Da werde demonstriert, ohne zu sagen, wie es besser gehen könnte.

Anfang 1990 gilt es, Wahllisten aufzustellen. Schemmel wird vom Kreisverband Altenburg nominiert. Im Bezirk kommt er auf Platz 6 – sieben schaffen es am 18. März 1990 von der SPD in die Volkskammer. Schemmel wird Mitglied im Ausschuss Verfassungs- und Verwaltungsreform. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Ländereinführungsgesetz, das bei weiterhin gültiger DDR-Verfassung erlassen wird. „Ich hatte die Freude, die Endfassung des Ländereinführungsgesetzes in der Volkskammer zur endgültigen Abstimmung vorzutragen“, sagt er. Das spielt auch eine wichtige Rolle in der Erinnerung, weil die Zugehörigkeit Altenburgs zum wiedergegründeten Land Thüringen erst im letzten Moment beantragt wird. Dem sind eine nicht bindende Bürgerbefragung (53,8 Prozent pro Sachsen) und ein verbindlicher Kreistagsbeschluss (38:25 pro Thüringen) vorausgegangen. Dass eine leichte Mehrheit der Bürger gegen Thüringen und für Sachsen stimmt, macht Schemmel mit an jenen Zugezogenen fest, die oft aus dem Erzgebirge stammen. Die alteingesessenen bürgerlichen Familien, die im Kreistag stärker vertreten sind, haben dagegen eine seit der Residenzzeit enge Verbindung mit dem Land Thüringen, dem sie bei der Landesgründung 1920 bis 1933 und noch einmal von 1945 bis 1952 angehören. Zugleich sprechen Infrastruktur und Wirtschaftsverbindungen für Leipzig. All das spielt bei der Entscheidung mit. Der Landrat rückversichert sich in Berlin, ob der Kreis die Zugehörigkeit zu Thüringen beantragen darf. Dem wird zugestimmt; ein Antrag geht an den Ministerrat. Die Volkskammer sagt Ja. „Es ging alles so schnell“, betont Schemmel beim Rückblick.

Ein ebenfalls wichtiger Baustein, „um die DDR umzustrukturieren – vom Zentralismus zum föderal tauglichen und auf Selbsttätigkeit beruhenden Staat –“ ist das Gesetz zur kommunalen Selbstverwaltung. Zudem müssen die Finanzen geregelt werden, etwa durch das Kommunalvermögensgesetz. „Auch die Länder wurden mit Vermögen ausgestattet, das zuvor Volksvermögen war“, stellt Schemmel fest. Der Altenburger erlebt alle Parlamente: Volkskammer, Bundestag bis Dezember 1990, eine Wahlperiode im Landtag (1999 bis 2004), Kreistag, Stadtrat. Anfang der 1990er Jahren arbeitet er für die SPD-Bundestagsfraktion vom Berliner Büro aus. Von 1994 bis 1999 ist er – obwohl kein Jurist – Staatssekretär im Thüringer Ministerium für Justiz- und Europaangelegenheiten. „Ich wurde von der Presse mit einer gewissen Häme empfangen. Aber nach fünf Jahren war die Resonanz in der Justiz gut“, sagt Schemmel. Bewährt hat sich für ihn, nicht in erster Linie Partei-, sondern Sachpolitik zu machen. „Das war schon in der Volkskammer so: Es ging um konstruktive Veränderung.“