Berlin. Eine Umfrage zeigt: Die Deutschen fühlen sich von der Regierung allein gelassen. Die Krise trifft sie hart – sie sparen, wo sie können.

Mobilitätswende und Inflation: Zwei Themen, die die Deutschen derzeit besonders umtreiben – und bei denen sie jeweils mehr Engagement von der Bundesregierung erwarten. Insbesondere die Verteuerung des täglichen Lebens, von Lebensmittel über die Energiepreise bis hin zu Freizeitaktivitäten, führt zu einer Verunsicherung in der Gesellschaft. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag der Bundesverbraucherzentrale (vzbv) für den Verbraucherreport 2023.

Demnach fühlen sich knapp zwei Drittel der befragten Menschen (64 Prozent) mit den stark gestiegenen Preisen alleingelassen. Als Reaktion auf teuren Strom und teures Gas gaben 74 Prozent an, ihren Energieverbrauch eingeschränkt zu haben. Und auch in der Freizeit wird der Gürtel enger geschnallt: 61 Prozent gehen demnach seltener in Restaurants oder Bars, 56 Prozent sparen beim Urlaub und Reisen und 53 Prozent verzichten vermehrt auf Freizeitaktivitäten wie Kino- oder Zoobesuche.

Als „besorgniserregend“ bezeichnet vzbv-Vorständin Ramona Pop die Tatsache, dass 44 Prozent der Befragten angeben, bei Lebensmitteln zu sparen. Im vergangenen Jahr waren es noch 35 Prozent. „Finanzielle Sorgen zwingen die Menschen, in allen Bereichen des Alltags zu sparen: vom Energieverbrauch bis zum Reisen“, so Pop.

Beschwerden bei Verbraucherzentrale stark angestiegen

Mit Blick auf die 64 Prozent, die sich in der Krise allein gelassen fühlen, sagte Pop: „Die Bundesregierung muss dringend nachsteuern und für mehr Sicherheit sorgen.“ Nicht alle seien vom Ausmaß der Krise in gleicher Weise betroffen. Die vzbv-Chefin befürchtet: „Es droht eine Spaltung der Gesellschaft.“

Die Inflation trifft die Verbraucher hart. 44 Prozent sparen laut Umfrage an Lebensmitteln.
Die Inflation trifft die Verbraucher hart. 44 Prozent sparen laut Umfrage an Lebensmitteln. © dpa | Jens Kalaene

Pop forderte, dass die Politik ihrer Verantwortung beim Verbraucherschutz gerecht werden müsse. „Gerade Menschen mit geringem Einkommen benötigen Hilfe. Die Preisbremsen für Energie waren ein erster Schritt. Die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf gesunde Lebensmittel muss der nächste sein.“

Das finden auch 80 Prozent der Befragten: „Gesunde Lebensmittel wie Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte sollten vollständig von der Mehrwertsteuer befreit werden“, fordern sie. 87 Prozent unterstützen zudem die Idee, dass insbesondere Menschen mit geringem Einkommen vom Staat entlastet werden sollten.

Ein Reiz- und Streitthema nicht nur in der Ampel-Koalition sondern auch in der Bevölkerung ist der Strom- und Heiz-Komplex. 47 Prozent der Befragten sehen die eigenen Interessen nicht gut geschützt. Ein Bild, das sich auch in den Beratungsstellen der Verbraucherzentralen und am Telefon bietet. Die Beschwerden sind demnach im Jahr 2022 auf über 240.000 angestiegen – zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Besonders groß war der Anstieg bei Strom und Gas. In diesem Bereich wurden dreimal so viele Beschwerden registriert wie noch vor einem Jahr, insgesamt seien es knapp 56.000 gewesen.

Neun von Zehn wollen mehr Investition in ÖPNV

Insgesamt sehen 82 Prozent der Befragten die Politik in der Pflicht, ihre Interessen als Verbraucher zu wahren. Nicht nur bei Energie- und Preisthemen, sondern auch in Sachen Mobilität und Öffentlicher Nahverkehr (ÖPNV). Eine überwältigende Mehrheit – gut neun von zehn Befragten – sind der Meinung, dass die Bundesregierung stärker in den ÖPNV investieren muss. Denn 75 Prozent finden auch, dass die Bundesregierung, auch wegen der gestiegenen Energiepreise, den Klimaschutz vorantreiben muss, zum Beispiel durch den Ausbau erneuerbarer Energien. 82 Prozent sind der Meinung, das Mobilität auch ohne eigenes Auto möglich sein muss.

Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv), fordert Änderungen an der Verkehrspolitik.
Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv), fordert Änderungen an der Verkehrspolitik. © dpa | Bernd von Jutrczenka

„Verbraucher und Verbraucherinnen sind bereit für eine Mobilitätswende – weg vom Auto hin zu mehr öffentlichem Nahverkehr“, so das Fazit von Pop. Sie fordert: „Die Bundesregierung sollte ihre Verkehrspolitik entsprechend anpassen.“ Der Nahverkehr müsse leistungsstark, attraktiver und an Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet werden.

Großteil ist mit Deutschlandticket zufrieden

Wichtig für die Deutschen im ÖPNV ist demnach Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit (91 Prozent). Verlässliche Informationen im Störungsfall sowie ein übersichtliches Tarifsystem wünschen sich 90 beziehungsweise 87 Prozent, ebenso ein breites Angebot mit enger Taktung (85 Prozent). Eine Garantie, trotz Ausfall oder Verspätung am Ziel anzukommen, fordern 83 Prozent. Möglich wäre das nach Ansicht des vzbv mit einer bundesweiten Mobilitätsgarantie, bei der Fahrgäste auf alternative Verkehrsmittel umsteigen können, wenn Bus oder Bahn ausfallen.

Positiv sehen die Befragten demnach das sogenannte Deutschland-Ticket, mit dem man in ganz Deutschland den ÖPNV für 49 Euro monatlich nutzen kann. Das Ticket ist als Abonnement gedacht, aber monatlich kündbar. Einen Monat nach dem Start des Tickets hatten rund zehn Millionen Menschen ein Abonnement dafür abgeschlossen. 96 Prozent der Befragten halten das Deutschland-Ticket für eine gute Sache. Knapp ein Drittel – 30 Prozent – hält es für zu teuer. 31 Prozent hingegen haben vor, sich noch dieses Jahr das 49-Euro-Ticket zu kaufen.

Für den Verbraucherreport führte Forsa im Auftrag des vzbv eine repräsentative Telefonbefragung mit 1500 Personen durch. Berücksichtigt wurden alle deutschsprachigen Menschen ab 14 Jahren in Privathaushalten in Deutschland. Erhebungszeitraum des aktuellen Verbraucherreports war der 11. bis 27. April 2023. Die statistische Fehlertoleranz liegt bei +/- 3 Prozentpunkten in der Gesamtstichprobe.