Berlin. Öl-Multis haben Meeres-Windanlagen als lukratives Geschäft entdeckt – und investieren Milliarden. Verbraucher kann das freuen. Vorerst.

Jahrzehntelang galt Öl als das schwarze Gold. Doch von diesem Glaubenssatz scheinen nun sogar die altgedienten Öl-Multis wie BP und Total abzurücken. Die Farbe des neuen Goldes? Rauschend und auf tiefem Grund – Windparks im Meer. Es scheint, als sehen die Großkonzerne ihre Zukunft nicht mehr nur in den Bohrlöchern in der Wüste, sondern in der Kraft des Wassers und des Winds.

Zumindest erklärt das den stolzen Preis, den die beiden Öl-Konzerne nun gezahlt haben, um Windkraftanlagen in mehreren Gebieten in der Nord- und Ostsee bauen und betreiben zu dürfen. Den Zuschlag dazu bekamen BP und Total Energies von der Bundesnetzagentur.

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Erstaunlich war einerseits das Interesse an der Versteigerung. Für die Nordsee gab es acht Bewerber, für den Windpark in der Ostsee vor der Insel Rügen sogar neun Bewerber. Überraschend hoch sind auch die Einnahmen der Netzagentur durch die Auktion. 12,6 Milliarden Euro zahlen die Konzerne für die Nutzung der Flächen in den kommenden 25 Jahren, mit einer Verlängerungsoption um weitere zehn Jahre.

Mit dieser Ausschreibung stoßen die Offshore-Windparks auch bei der Leistung in neue Dimensionen vor. Zusammengenommen wollen die Unternehmen Windräder mit einer Leistung von 7000 Megawatt (MW) installieren. Das entspricht fast der bisherigen Gesamtleistung von 8100 MW aller deutschen 1639 Windanlagen auf See.

Offshore-Windparks: Große Nachfrage trotz hohem Einsatz

Zum Vergleich: Ein mittleres Atomkraftwerk kommt auf eine Leistung von etwa 1400 MW, womit sich rechnerisch 3,5 Millionen Haushalte mit Strom versorgen lassen. Neu ist auch, dass die Bewerber um die Lizenzen keine garantierten Mindestpreise für die Abnahme des Stroms erhalten. Die Konzerne erwarten folglich, dass sich die hohen Investitionen im Zeitverlauf auch ohne Subventionen rechnen.

Ein Arbeitsschiff bringt Monteure zu Windrädern, die in der Ostsee zwischen den Inseln Rügen und Bornholm (Dänemark) stehen.
Ein Arbeitsschiff bringt Monteure zu Windrädern, die in der Ostsee zwischen den Inseln Rügen und Bornholm (Dänemark) stehen. © dpa | Jens Büttner

BP gibt die Renditeerwartung für erneuerbare Energien auf sechs bis acht Prozent an. „Der erneuerbare Strom wird die große Nachfrage, die wir in unseren Produktionsbetrieben erwarten, mit einer Vielzahl von Produkten und Dienstleistungen bedienen“, hofft BP-Managerin Anja-Isabel Dotzenrath. Auch an die Herstellung von grünem Wasserstoff und Biokraftstoffen denkt BP dabei.

Bis die Firmen Geld auf See verdienen, ist noch viel Arbeit zu leisten. Die Felder müssen über Stromleitungen mit dem Netz an Land verbunden und die Windräder aufgestellt werden. Letzteres wird weitere hohe Investitionen erfordern. Dabei kommt den Betreibern ein ruinöser Preiswettbewerb der Anlagenbauer zugute. Dennoch ist der Einsatz erst einmal hoch.

Stiftung warnt davor, Akteursvielfalt auszumerzen

Erst ab Inbetriebnahme 2030 stehen dem Einnahmen gegenüber, die sich zudem nur grob abschätzen lassen. Die finale Investitionsentscheidung sei für 2027 geplant, teilt BP auf Anfrage mit. Erst dann lasse sich die Höhe beziffern. Der schwedische Konzern Vattenfall hat unterdessen in dieser Woche seinen geplanten Bau eines großen Windparks in der Nordsee vor der britischen Küste gestoppt. Als Gründe wurden gestiegene Investitionskosten, schwierige Lieferketten und die steuerlichen Rahmenbedingungen genannt. Wie es weitergehen soll, will der Vorstand jetzt prüfen.

Windräder auf See mit 1000 MW Leistung drehen sich im Durchschnitt etwa die Hälfte des Jahres, also rund 4400 Stunden. Pro Stunde erzeugen die Anlagen eine Million Kilowattstunden (kWh). Im ersten Halbjahr 2023 lag der Marktpreis für Strom dafür bei durchschnittlich neun Cent. „Windstrom auf See ist mittlerweile wirtschaftlich so attraktiv, dass sich die Projektträger für den Zugriff auf Meeresflächen gegenseitig überbieten“, freut sich Sascha Müller-Kraenner von der Deutschen Umwelthilfe. „Die Mär vom teuren Ökostrom ist damit endgültig vom Tisch“.

Grafik-Karte Nr. 105882, Querformat 135 x 85 mm,
Grafik-Karte Nr. 105882, Querformat 135 x 85 mm, "Verortung der versteigerten Flächen für Offshore-Windkraft", Redaktion: D. Loesche, Grafik: R. Mühlenbruch/B. Bolte © dpa | dpa-infografik GmbH

Weniger begeistert zeigt sich die Stiftung Offshore-Windenergie. Sie befürchtet, dass dieser Markt künftig nur noch von wenigen kapitalstarken Konzernen beherrscht wird, weil das Auktionsverfahren diese Interessenten begünstige. „Es sollte dringend im Interesse der Bundesregierung sein, die Akteursvielfalt zu erhalten“, sagt Stiftungschefin Katharina Würtz. Die durch Bieterwettbewerbe steigenden Kosten würden beispielsweise am Ende an die Kunden weitergegeben.

Vorerst profitieren Verbraucher vom Auktionsergebnis

Auch sorgt sich Würtz um den Druck auf andere Marktbeteiligten, etwa die Hersteller der Windanlagen, die massiv unter Kostendruck stehen. Doch zunächst profitieren viele vom Auktionsergebnis. Denn mit den Milliardeneinnahmen werden zum Beispiel die Verbraucher entlastet. Damit kann die Anbindung der Windparks ans Stromnetz finanziert werden. Die Kosten dafür werden ansonsten auf die Stromkunden umgelegt. Auch der Meeresschutz und die nachhaltige Fischerei kommen nicht zu kurz. Beide Bereiche erhalten nach Angaben der DUH jeweils 630 Millionen Euro aus dem Auktionsergebnis.

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Der Chef der Netzagentur, Klaus Müller, sieht eine hohe Attraktivität für Investitionen auf See. „Die Ergebnisse sind ein wichtiger Schritt zur Erreichung des Offshore-Ausbauziels“, sagt Müller. 30 Gigawatt Leistung sollen 2030 weit draußen im Meer ermöglicht werden, doppelt so viel wie bisher gebaut oder projektiert worden sind. Da die Windturbinen immer größer und leistungsfähiger werden, erscheinen inzwischen auch ambitionierte Ziele erreichbar. Bis 2045 soll sich die Gesamtleistung noch einmal auf 70 Gigawatt mehr als verdoppeln.

Bei der Windkraft an Land geht es bedeutend bescheidener zu. „Das Ziel wird verfehlt“, warnt Dennis Rendschmidt vom Verband der Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA). Statt wie geplant vier bis fünf neue Windräder am Tag würden derzeit durchschnittlich nur 1,8 Turbinen installiert. Den Hauptgrund für den langsamen Fortschritt sieht der Verband in bürokratischen Hemmnissen. Im Durchschnitt dauert es vier Jahre, bis ein Windrad Strom liefern kann. Auch die notwendigen Schwertransporte erweisen sich als zeit- und kostenintensive Hemmnisse. Zwölf Wochen dauert eine Genehmigung dafür, in Holland nur fünf Tage.

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