Rom. . Ortsunabhängiges Arbeiten über Landesgrenzen hinweg etabliert sich als neue Lebensform. Italien buhlt gezielt um die digitalen Nomaden.

Immer mehr Erwerbstätige können ihren Bürojob am Computer zu Hause erledigen – an jedem beliebigen Ort der Welt. Das hat sich während der Corona-Pandemie gezeigt. Seither hat sich Homeoffice endgültig etabliert.

Viele Leute wollen deshalb sogar auswandern. In anderen Ländern müssen sie vielleicht weniger Steuern zahlen und finden obendrein bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen vor. Beispiel Italien: Schönes Klima, hohe Lebensqualität. Arbeiten in einer Urlaubs-Atmosphäre – das ist nicht ohne Reiz.

Digitale Nomaden: Wie Italien sie anlocken will

Jetzt bemüht sich die Regierung um Premierministerin Giorgia Meloni, neben den Touristen auch Ausländer ins Land zu locken, die mobil arbeiten. Sie folgt damit dem Beispiel einiger weiterer Staaten in Südeuropa wie Griechenland oder Portugal, die seit Langem digitale Nomaden anlocken. Das könnte Sie auch interessieren: Perfekter Espresso: Barista verrät, wie er gelingt

Gefeilt wird an einem Maßnahmenpaket mit Steuerbegünstigungen. Das Ziel sind Unternehmer oder auch Arbeitnehmer, die fast ausschließlich digitale Technologien anwenden, um ihre Arbeit zu verrichten und zugleich ein eher ortsunabhängiges, beziehungsweise multilokales Leben führen.

"Arbeiten in der Welt und in Italien leben"

Die Berufe der digitalen Nomaden sind vielfältig. Viele betreiben Websites oder Blogs und monetarisieren die Inhalte durch Werbung oder den Verkauf digitaler Produkte oder Dienstleistungen. Auch der Betrieb von Informationsportalen, Online-Communitys und Foren zählt zu dieser Kategorie.

"Arbeiten in der Welt und in Italien leben", lautet der Slogan der Regierung Meloni. Sie will ihr Land zu einem Magneten für digitale Berufsgruppen machen. Noch unklar ist, ob die Maßnahme nur Ausländer oder auch ausgewanderte Italiener betreffen soll, die sich zur Rückkehr in die Heimat entschließen. Lesen Sie auch: Hochwasser in Italien: Adria-Region kämpft ums Überleben

Der Plan der Regierung stützt sich unter anderem auf das von der italienischen Post finanzierte Projekt "Polis". Damit sind Investitionen zur Einrichtung eines Coworking-Netzes in allen Regionen geplant. Die Post will die Einrichtung von Coworking-Räumen auch in kleineren Gemeinden fördern. Es werden Arbeitsräume angeboten, die den Laptop-Einzelkämpfern Struktur, Kontakte und Heimat bieten sollen.

Italien betreibt mit den Lockangeboten auch Regionalpolitik

Zugleich will das Kabinett die Digitalisierung kleiner Gemeinden fördern und so die Wiederbelebung von Ortschaften unterstützen, die vom Aussterben bedroht sind. Ziel ist, der Entvölkerung der italienischen Berggebiete entgegenzuwirken. Junge Unternehmer in Berggemeinden sollen aktiv unterstützt werden. Für ein dementsprechendes Maßnahmenpaket werden in diesem Jahr 200 Millionen locker gemacht.

Am Computer arbeiten - das setzt nur eine sichere Internet-Verbindung voraus und ist dementsprechend fast überall auf der Welt problemlos möglich. Viele ziehen denn auch einen Umzug ins Ausland in Betracht. Um diese so genannten digitalen Nomaden will jetzt auch Italien buhlen.
Am Computer arbeiten - das setzt nur eine sichere Internet-Verbindung voraus und ist dementsprechend fast überall auf der Welt problemlos möglich. Viele ziehen denn auch einen Umzug ins Ausland in Betracht. Um diese so genannten digitalen Nomaden will jetzt auch Italien buhlen. © dpa

Hunderte Berggemeinden in Italien sind vom Aussterben bedroht. Hohe Arbeitslosigkeit und schlechte Verkehrswege belasten diese Kommunen, wo weder Tourismus noch Landwirtschaft vorhanden sind, sodass die Jugendlichen flüchten und nur mehr Rentner dort leben.

Nicht nur das schöne Wetter – auch die Steuervorteile reizen

Dabei handelt es sich um Berggemeinden sowohl in Nord- als auch in Süditalien. Die Digitalisierung soll diesen Trend rückgängig machen. Sie soll flexible Arbeitnehmer auf der Suche nach einem neuen Umfeld, nach Lebensstil, Ruhe und Inspiration abseits gewohnter Pfade locken.

Eine zentrale Anlaufstelle für ausländische Unternehmen, die in Italien investieren und dabei von einem Tutor begleitet werden, kündigte Industrieminister Adolfo Urso zuletzt an. Das Ziel sei, Ausländern bei der Ansiedlung in Italien die bürokratischen Prozeduren zu vereinfachen.

Schon seit einiger Zeit buhlt Rom mit einer "Flat Tax" – einer Einheitssteuer von 100.000 Euro pro Jahr – um kapitalstarke Ausländer. Reiche, die ihren Wohnsitz vom Ausland nach Italien verlegen, können sich somit für eine pauschale Besteuerung ihrer ausländischen Einkünfte entscheiden. Für Familienmitglieder sollen noch einmal 25.000 Euro pro Person fällig werden.

Neue Flat-Tax spricht eher die Millionäre an

Voraussetzung ist, dass der Neuankömmling in den letzten zehn Jahren höchstens ein Jahr in Italien steuerpflichtig war. Die neu in Italien etablierten Millionäre sollen 15 Jahre lang die "Flat Tax" in Anspruch nehmen dürfen. Zahlreiche international bekannte Persönlichkeiten, von Schauspieler George Clooney bis zu Popstar Sting, haben sich schon vor Jahren in Italien eingerichtet. Ob jetzt viele andere digitale Nomaden ebenfalls den Stiefelstaat als ihren Steuersitz wählen, ist die große Hoffnung der Regierung Meloni.

Der ehemalige Formel-1-Manager Flavio Briatore, der seit 35 Jahren im Ausland lebt, betrachtet die "Flat Tax" als beachtenswert. "Sie ist klar und transparent, während die Steuergesetze in Italien bisher eher konfus und verworren waren." Viele seiner Bekannten im Ausland würden gern nach Italien ziehen, seien bisher jedoch vom hohen Steuerdruck und dem intransparenten Steuersystem abgeschreckt worden. Auch interessant: Grausame Funde in Pompeji lassen Forscher aufhorchen