Berlin. Stress im Job und trotzdem keine Erholung. Eine Umfrage zeigt: Offenbar können viele Arbeitnehmende immer weniger Urlaub nehmen.

Viele Deutsche fühlen sich von ihrem Job gestresst. Doch anstatt sich im Urlaub zu erholen, hat im vergangenen Jahr jeder zehnte Arbeitnehmer im Schnitt vier Urlaubstage verfallen lassen – weil er von der Arbeit zu sehr eingespannt war. Das ist der höchste Wert in den vergangenen fünf Jahren, wie das Online-Reisebüro Expedia in seiner jährlichen Studie über „Vacation Deprivation“ („Urlaubsentzug“) herausgefunden hat.

Zeitspanne zwischen zwei Urlauben wird länger

28,3 Urlaubstage hat ein Arbeitnehmer in Deutschland demnach pro Jahr im Schnitt. Laut Umfrage werden aber nur 18,3 Tage davon auch tatsächlich als Urlaub und zum Entspannen genutzt. Von den restlichen zehn Tagen gehen im Schnitt 5,6 Tage – also rund 20 Prozent des durchschnittlichen Jahresurlaubs – laut Umfrage für Termine, Pflichten und Projekte wie die Pflege von Angehörigen, Arztbesuche oder den Hausbau drauf.

Die restlichen vier Tage werden nicht genommen. Besonders viele ihrer Urlaubstage investieren dabei Väter und Mütter in private Termine: 58 Prozent nutzen allein mindestens drei ihrer Urlaubstage, um die Kinder im Fall von Krankheit oder Schul- beziehungsweise Kindergartenschließungen zu betreuen.

56 Prozent der Befragten gaben zudem an, dass die Urlaubsplanung vor allem aufgrund des aktuellen Arbeitskräftemangels zunehmend zu einer Herausforderung wird. 20 Prozent empfanden ihren Arbeitsplatz personell als unterbesetzt, 26 Prozent sprachen von einem Arbeitskräftemangel in ihrer Branche.

Und auch die Zeit zwischen zwei Urlauben ist tendenziell länger geworden: Während etwa in der „Vacation Deprivation“-Studie des Jahres 2021 noch insgesamt 30 Prozent angaben, dass sie maximal alle sechs Monate Urlaub nehmen, sind es in der aktuellen Studie bereits 41 Prozent.

Zu viel zu tun im Beruf um Urlaub zu nehmen: Im vergangenen Jahr haben Arbeitnehmer vier Urlaubstage verfallen lassen, weil sie beruflich zu sehr eingespannt waren.
Zu viel zu tun im Beruf um Urlaub zu nehmen: Im vergangenen Jahr haben Arbeitnehmer vier Urlaubstage verfallen lassen, weil sie beruflich zu sehr eingespannt waren. © imago/Westend61 | uwe umstätter

Gewerkschaft fordert Arbeitgeber auf, auf Einhaltung der Urlaubszeit zu achten

"Arbeitgeber müssen Arbeit so gestalten, dass sie die Gesundheit der Beschäftigten nicht schädigt", fordert daher Anja Piel, Vorstandsmitglied im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). "Das heißt vor allem, ausreichend Personal für anfallende Aufgaben einzuplanen." Derzeit sei das in der Realität in vielen Betrieben aber nicht so: Beschäftigte hätten immer mehr Aufgaben in der gleichen Zeit zu erledigen. Viele müssen dafür ständig erreichbar und verfügbar sein.

So gaben 37 Prozent der Befragten 2022 in einer DGB-Umfrage an, immer mehr Arbeit in der gleichen Zeit schaffen zu müssen. "Hoher Stress und fehlende Erholung aber sind ein Gesundheitsrisiko. Deshalb müssen Arbeitgeber diese Missstände beheben. Sie müssen es ihren Beschäftigten möglich machen, ihren Urlaub in vollem Umfang zu nehmen", sagt Piel.

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Stress vor den Ferien: Die Urlaubsplanung belastet viele Deutsche

Und wo verbringen die Deutschen ihre durchschnittlich 18,3 Urlaubstage? Laut Expedia etwa ein Viertel, 24 Prozent, auf Balkonien. Drei Viertel verreisen, 29 Prozent ins Ausland. Trotzdem werden einige den Gürtel bei den diesjährigen Ferien wohl etwas enger schnallen: Neun Prozent der Befragten gaben an, dass sie aufgrund der wirtschaftlichen Lage dieses Jahr weniger Urlaub machen möchten. Der Großteil (82 Prozent) jedoch plant, genauso viele oder sogar mehr Reisen zu unternehmen als im vergangenen Jahr.

Vor dem Urlaub kommt für viele erst nochmal der Stress: Etwas mehr als die Hälfte der Befragten (57 Prozent) sieht sich dem Recherche- und Planungsaufwand, den eine Reisebuchung erfordert, nicht gewachsen. 56 Prozent fühlen sich durch den Zwang, ein gutes Angebot zu finden, zusätzlich gestresst. Immerhin: 78 Prozent der Befragten gaben an, nach einer Urlaubsreise generell eine positivere Einstellung zum Job zu haben, 77 Prozent fühlten sich motivierter.

Da überrascht es kaum, dass sich vier von fünf Angestellten in Deutschland eine Vier-Tage-Woche wünschen. 62 Prozent gaben bei der Umfrage an, bei Aussicht auf mehr Urlaubstage einen Jobwechsel in Betracht zu ziehen. 24 Prozent sagten, sie würden die dadurch gewonnene Zeit für Urlaubsreisen nutzen, 35 Prozent würden an den zusätzlich freien Tagen ihren privaten Terminen nachgehen – um den Urlaub dann tatsächlich für das zu nutzen, wofür er gedacht ist: Erholung und Abwechslung vom Arbeitsalltag.

Die "Vacation Deprivation"-Studie von Expedia untersucht seit dem Jahr 2000 jährlich die Urlaubsgewohnheiten und Work-Life-Balance von Arbeitnehmern weltweit. Die aktuelle Umfrage wurde unter 14.527 Befragten in 16 Ländern in Nordamerika, in Europa und im asiatisch-pazifischen Raum vom 9. Februar bis 3. März 2023 von Northstar Research Partners im Auftrag von Expedia durchgeführt. In Deutschland wurden 1002 Erwachsene befragt.