Erfurt. Am Freitag wurde bekannt, dass ab Dienstag alle Schulen und Kitas in Thüringen geschlossen werden. Von Notfallversorgung und E-Learning-Programmen.

Nachdem es am späten Donnerstagabend noch aus dem Bildungsministerium hieß, der Schulbetrieb werde aufrechterhalten, ist die Entscheidung seit Freitagnachmittag Makulatur. Schulen und Kitas schließen ab Dienstag bis zum Ende der Osterferien am 17. April, teilte das Bildungsministerium am Freitagnachmittag mit. Man folge den aktuellen Empfehlungen von Fachinstanzen, darunter dem Robert Koch-Institut. „An vorderster Stelle steht, die weitere Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern“, begründet Bildungsminister Helmut Holter (Linke) den harten Schnitt.

Die Zeit bis zum Dienstag solle genutzt werden, um die Schließungen vorzubereiten. Damit Eltern, die in lebenswichtigen Versorgungsbereichen arbeiten, nicht zu Hause bleiben müssen, soll laut Sozialministerium allerdings eine Notfallversorgung ihrer Kinder sichergestellt werden.

An vielen Schulen Verwirrung im Umgang mit Verdachtsfällen

Bei der Bildungsgewerkschaft GEW stößt die Entscheidung auf Erleichterung. In vielen Schulen habe in den vergangenen Tagen große Verwirrung im Umgang mit Verdachtsfällen geherrscht, Eltern, Lehrer und Schüler waren verunsichert, Schulleitungen fühlten sich in ihren Entscheidungen allein gelassen, so Sprecher Michael Kummer. Die Ansage aus dem Bildungsministerium vom Donnerstagabend, am Schulbetrieb festzuhalten, sei auf großes Unverständnis gestoßen, der Ruf nach einer landesweit einheitlichen Regelung wurde immer lauter.

Geforderte Schutzmaßnahmen seien oft ins Leere gelaufen, weil kaum ausreichend Mittel vorhanden sind. Lehrer hätten zum Teil auf eigene Kosten Seife und Desinfektionsmittel kaufen müssen. Eine Grundschullehrerin aus Westthüringen berichtete, dass Pädagogen von manchen Eltern angebrüllt wurden, weil sie nach Klarheit verlangten, die die Schulen ihnen nicht geben konnten. Hinzu komme, dass viele Pädagogen derzeit ohnehin erkrankt seien. „Viele Kollegen gehören älteren Jahrgängen an und müssen geschützt werden“, so Kummer. Auf diesen Umstand macht auch der Thüringer Lehrerverband aufmerksam.

Dies sei keine „Frage politischer Profilierung, sondern von Vernunft“, kommentiert Thüringens stellvertretende Ministerpräsidentin Anja Siegesmund (Grüne) die Entscheidungen, auch mit Blick darauf, dass es Kommunen gab, die am Freitag mit Allgemeinverfügungen vorgeprescht seien. In den nächsten Wochen müssten sich die Thüringer auf ein „Leben auf Sparflamme mit der Minimierung von sozialen Kontakten“ einstellen, so die Grünen-Politikerin.

Auch an den Universitäten und Hochschulen kommt es zu starken Einschränkungen. Der Beginn des Sommersemesters wird auf den 4. Mai verschoben, Ende März werde man das weitere Vorgehen noch einmal beraten, heißt es aus dem Wissenschaftsministerium.

Für die Lehreinrichtungen bietet die Situation eine unfreiwillige Gelegenheit, die Formate des E-Learnings einer Belastungsprobe unter Extrembedingungen zu unterziehen. An der Bauhaus-Universität in Weimar fühlt man sich für die digitale Lehre gut aufgestellt, so Vizepräsidentin Jutta Emes. Grundlage sei die digitale Lern-und Lehrplattform „Moodle“, die allen Studiengängen zur Verfügung stehe. Man arbeite dort auch mit Instrumenten wie Podcasts und Webinaren.

Was keine Präsenz benötigt, wird ins Digitale verlagert

Mit digitalen Formaten hat man auch an der Universität in Jena bereits Erfahrungen gesammelt. Jedoch sei eine vollständige Umstellung auf E-Learning nie vorgesehen gewesen und würde die Universität finanziell und personell an ihre Grenzen bringen, heißt es von dort. Man bereite jedoch vor, alles, was keine Präsenz benötigt, ins Digitale zu verlagern.

Eine Task-Force arbeite bereits unter Hochdruck daran. Ob auch Prüfungen auf digitalem Weg möglich sind, zum Beispiel mündliche Examen per Videoschaltung, müsse geprüft werden. Wie dagegen mit Staatsexamina verfahren werden soll, müsse landesweit geklärt werden. Individuelle Lösungen würden in Absprache mit den Prüfungsämtern gesucht, gegebenenfalls müssten Fristen und Prüfungstermine verschoben werden.

In der Fachhochschule Erfurt verweist man auf Online-Tests, Lehrvideos und Online-Vorlesungen als Formate, auf die man in dieser Situation zurückgreifen könne.

Ministerium muss falsche Corona-Nachricht einfangen

  • Eine Falschmeldung über die von der Thüringer Landesregierung beschlossenen Maßnahmen kursierte am Freitag. „Diese Mitteilung hat mit uns nichts zu tun und uns die Arbeit nicht erleichtert“, sagte ein Sprecher des Bildungsministeriums. Staatssekretärin Julia von Heesen ließ unmittelbar nach Bekanntwerden der falschen Nachricht eine Richtigstellung über alle möglichen dienstlichen Adressen aussenden.
  • Offenbar war die Meldung aber soweit verbreitet, dass sie sich sogar in den offiziellen Verteiler von Ministerinnen und Ministern geschlichen hatte und auch von dort verbreitet wurde. Das bestätigte ein Kabinettsmitglied dieser Zeitung.
  • Nach Recherchen unserer Zeitung ist die Basis der Falschnachricht die Mitteilung des Landes Schleswig-Holstein über dort getroffene Corona-Maßnahmen.

Das könnte Sie auch interessieren: