Axel Lukacsek über die Turbulenzen im Eisschnellllauf-Lager.

Es ist ein Jammer. Da gelingt dem Eisschnellläufer Joel Dufter bei der Europameisterschaft in Heerenveen mit der Bronzemedaille ein richtiger Coup. In der wegen der Corona-Krise auf ganz wenige Wettbewerbe geschrumpften Saison eigentlich ein Erfolg, der doppelt glänzt. Zumal sich Deutschlands Sprinter in der Vergangenheit selten Platz auf dem Treppchen verschafft haben.

Aber die Schlagwörter, die der Verband in erster Linie produziert, haben sich nicht geändert: Ausbootung, Konsequenzen, Einschüchterungsversuch, Rachepläne und Verfehlungen waren zuletzt zu lesen. All das lässt erahnen, welches Klima in der kleinen Welt des Eisschnelllaufens herrscht. Nicht gerade ein Ort, um Weltklasse am Fließband zu produzieren.

Dabei sollte unter Matthias Große, dem neuen Präsidenten der Deutschen Eisschnelllauf- und Shorttrack-Gemeinschaft alles besser werden. Aber seit seiner Inthronisierung zum amtierenden Präsidenten vor sieben Monaten und der Bestätigung im Amt im September sind vor allem Köpfe gerollt und Funktionäre von selbst gegangen.

Jenny Wolf als Bundestrainerin suchte nach nur zehn Wochen das Weite, die Berliner Stützpunkttrainerin trat zurück, im Januar legte die Schatzmeisterin des Verbandes ihre Arbeit nieder. Aufbruchstimmung? Sieht anders aus! Nun haben aus lauter Wut auch noch die Eissprinter um den Inzeller Joel Dufter sowie den Erfurtern Jeremias Marx, Stefan Emele und Hendrik Dombek einen Offenen Brief geschrieben, nachdem der Vertrag mit ihrem Trainer Denny Leger zum Jahresende nicht verlängert worden war.

Womöglich hätte ein offenes Gespräch des ja auch sonst wortgewandten Verbandspräsidenten mit den Athleten der ganzen Sache die Schärfe genommen. Aber Matthias Große, von den Medien schon mal als General bezeichnet, hat lieber Konsequenzen angedroht. „Ich kann mich nicht erinnern, dass sich Fußball-Profis in der Bundesliga in derartiger Form schon mal öffentlich darüber beschwert hätten, als ihnen ein Trainer weggenommen wurde“, sagte der Berliner.

Natürlich kann in einem Verband nicht jeder machen was er will. Es braucht eine Hackordnung, nur eben keine militärische. Denn zuhören, miteinander diskutieren, erklären und Argumente abwägen, das sollte schon drin sein. Jedenfalls, wenn man sich statt Befehlsempfängern mündige Athleten wünscht.

Wie sollen die Konsequenzen denn nun aussehen? Die Mechanismen des Profis-Fußballs greifen hier nicht. Mal eben einen unliebsamen Athleten auf die Auswechselbank verbannen, das geht im eben nicht. Schon gar nicht in Deutschland. Bei der dünnen Personaldecke hieße das, die einstige Eisschnelllauf-Weltmacht würde in den Ergebnislisten der Sprintrennen gar nicht mehr auftauchen. Man würde sich nur selbst schaden.

Zumal mit Patrick Beckert momentan nur noch ein einziger Athlet von Weltklasseformat den Verband repräsentiert. Der Erfurter arbeitet seit Jahren ohne eigenen Trainer. Er vertraut lieber in den Übungsstunden auf die Unterstützung von Bruder Pedro und seinen eigenen Erfahrungen. Trotzdem produziert der Erfurter noch immer internationale Topresultate. Oder besser gesagt: gerade deswegen.