Heiligenstadt. Hans-Joachim Liesenfelds neuer Bildband zeigt „Historische Ansichten rund um Funk und Telefonie“.

Was ist häusliches Glück? Die Antwort ist auf einer historischen Postkarte zu finden. In den eigenen vier Wänden bequem im Sessel sitzen und per Kopfhörer eine Radiosendung genießen. Wer die Mühen des Transports nicht scheute, das Trichtergrammophon und die dazugehörenden Schellackplatten (Vorläufer der Vinyl- Schallplatte) an den gewünschten Ort schleppte, konnte beim Pfingstausflug mitten im Wald tanzen.

Angelockt von den an dieser Stelle ungewohnten Tönen hat ein Vogel auf einem Baumstumpf Platz genommen und trällert mit. Weihnachtsmann und Osterküken kommen nicht aus ohne „moderne“ Rundfunktechnik.

Ein gedruckter Neujahrsgruß zeigt Mutter, Vater, Tochter, Sohn und Hund vor einem Fernseher versammelt und preist das schöne Leben, denn dank eines Fernsehgerätes braucht die Familie – so steht es zu lesen – nicht mehr ins Kino zu gehen, was wohl mit Hund als vierbeinigem Familienmitglied ohnehin nicht möglich gewesen wäre. Schwierig wird es, will ein Kind anrufen, denn ein Mobiltelefon steht nicht zur Verfügung.

Das Kommunikation versprechende Gerät ist oben in der Wand verankert. Also muss zunächst ein Hocker bestiegen werden. „Historische Ansichten rund um Funk und Telefonie“ hat der Heiligenstädter Hans-Joachim Liesenfeld, Meister für Rundfunk- und Fernsehtechnik, seinen neuen Bildband genannt und im Untertitel darauf verwiesen, welche Seltenheiten dieses Buch bietet: „Postkarten, tönende Ansichtskarten, Reklametafeln und andere Schätze“ aus seiner Sammlung.

Im Mai 2013 war sein erster Bildband erschienen, Titel: „90 Jahre Radiogeschichte 1923-2013 in Deutschland“. Bereits mit diesem Buch verfolgte er, der ein Privatmuseum historischer Geräte eingerichtet hat und von der Entwicklungsgeschichte des Radios fasziniert ist, die Absicht, besonders Jugendliche für „alte Technik“ zu begeistern und zu zeigen, „wie alles begann“. Darüber hinaus geht es ihm „um die Wertschätzung der handwerklichen Leistungen von damals“.

Lange hat Hans-Joachim Liesenfeld darüber nachgedacht, die Arbeit an einem zweiten Buch aufzunehmen. Nach einem Jahr intensiver Tätigkeit liegt das Ergebnis vor, das Laien staunen lässt und Experten, sogar aus dem Ausland, zu Lob veranlasst. Seine Überlegungen: Nie waren nur allein die technischen Geräte und ihre Gebrauchsanleitungen auf dem Markt. Hierzu kamen immer auch vielfältige Formen der Werbung, wie wetterfeste Emailleschilder für Außenreklame an Radiogeschäften, Plakate, Prospekte, Glückwunschkarten zu verschiedenen Anlässen aus mehreren Ländern, bereits seit den 1930er Jahren „Ton-Bild-Postkarten“ mit Musiktiteln, im Volksmund „Tönende Ansichtskarten“ genannt.

Sogar ein Aschenbecher als Werbeträger macht auf ein „Fernseh- und Radio-Spezialgeschäft“ aufmerksam. Ziemlich unbekannt sein dürfte die Tatsache, dass seit 1923 amtliche Empfangsgenehmigungen ausgestellt wurden, mit „wichtigen Vorschriften für die Rundfunkhörer“ – eine „Erlaubnis zum Aufstellen und Betreiben eines Rundfunkempfängers nach den geltenden Bestimmungen“. Schließlich waren fällige Gebühren zu entrichten.

Der Sammler und Autor hat eine Erklärung dafür, warum einerseits in Deutschland die Geburtsstunde des Rundfunks am 29. Oktober 1923 schlug, andere Quellen aber den 22. Dezember 1920 nennen: Am Nachmittag des 22. Dezember wurde aus Königs-Wusterhausen in der Nähe von Berlin ein kleines Weihnachtskonzert übertragen – eine Sensation. Doch nicht viele Zuhörer waren in der Lage, diese erste deutsche Rundfunksendung zu genießen. Das funktionierte ausschließlich mit sogenannten Detektor-Empfängern und Kopfhörern, da es noch keine brauchbaren Lautsprecher gab.

Was hat sich der technikbegeisterte Heiligenstädter für 2023 vorgenommen, wenn auf 100 Jahre Radiogeschichte in Deutschland geblickt wird? Ein drittes Buch? Eine neue Sonderausstellung mit eigenen Exponaten? Genau weiß er es noch nicht, aber eines ist heute schon sicher: Dieses Jubiläum wird er nicht unerwähnt vorübergehen lassen. Das Buch „Historische Ansichten rund um Funk und Telefonie“ ist erhältlich in Wetzels Buchhandlung Heiligenstadt und beim Autor, Telefon 03606 / 61 28 02.