Gera. Natalie Scherzberg hat nach ihrer Ausbildung als Augenoptikerin eine weitere als Hörakustikerin begonnen

„Sehr freundlich und kompetent“, urteilt eine 88-Jährige. Die ältere Dame braucht eine neue Brille, weil die Sehkraft weiter nachgelassen hat. Etwas Flottes soll auf die Nase. Geduldig berät Natalie Scherzberg die Kundin, macht Tests und beantwortet Fragen über Fragen. Sie ist zum ersten Mal in der Filiale im Globus Gera-Trebnitz. Natalie Scherzberg weiß, die Älteren brauchen Zuspruch und Zeit. „Manche erzählen mir aus ihrem Leben, sind froh, dass ihnen jemand zuhört“, so die 22-Jährige. Von anderen erfährt sie etwas über Hobbys wie Wood­art. Mit Tattoonadeln werden in Holz Motive eingebrannt. „Ich mag den Umgang mit Kunden. Freue mich, wenn ich ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann.“ Im Juni vergangenen Jahres beendete Scherzberg ihre dreijährige Ausbildung als Augenoptikerin bei Aktivoptik.

Filialleiterin Silke Schmidt ermutigte ihre frischgebackene Gesellin, sich noch einmal auf die Schulbank zu setzen und eine Ausbildung als Hörakustikerin anzuschließen. „Ich hatte schon damit geliebäugelt, mich weiterzuqualifizieren“, so die sympathische Frau. „Noch einmal drei Jahre lernen, für mich kein Problem. Es fällt leichter als junger Mensch.“ Im August 2018 ging es also weiter.

Die Berufsschule hat ihren Sitz in Lübeck. Dorthin fährt Scherzberg mehrmals für vier bis fünf Wochen im Jahr und wohnt im Internat. „Ich bin die einzige Thüringerin in meiner Klasse. Auch umstellen musste ich mich, vom Auge aufs Ohr“, fügt sie an und lächelt.

Hörtests, Filter vom Hörgerät wechseln, reinigen und Otoplastiken, das sind Rohlinge, fräsen, gehören zu ihren Aufgaben. „Bei einigen Arbeiten darf man nicht ekelig sein.“ Hier und da klebe schon mal was dran.

Abdrücke nehmen, mit einer Kanüle wird Silikonmasse ins Ohr gegeben, um den Gehörgang abzuformen, macht Natalie Scherzberg noch nicht allein. „Da muss man sehr sicher und vorsichtig sein, um nichts zu verletzen. Ich übe noch am Gummiohr.“

Seit sie die Ausbildung macht, hört sie bewusst leiser Musik und achtet bei Konzerten auf Gehörschutz wie kürzlich beim Auftritt von Bass Drum of Death. Auch ihre Freunde hat sie angesteckt. „Ein Audiogramm beweist, wer schon in jungen Jahren achtlos war.“ Zum Glück schämen sich inzwischen viele Leute nicht mehr, ein Hörgerät zu tragen. Dennoch bräuchte es bisschen mehr Aufklärung. „Es gibt inzwischen ganz kleine Hörgeräte, die sieht man kaum“, erklärt Scherzberg.

Wenn sie ihren Gesellenbrief in der Tasche hat, möchte sie in der Filiale bleiben, weil hier alles stimmt. Während der ersten Ausbildung zur Augenoptikerin wechselte sie im zweiten Jahr den Betrieb. Die Philosophie des Unternehmens sagte ihr nicht zu. Bei Aktivoptik konnte sie nahtlos anschließen. Unterstützt natürlich jetzt ihre Kolleginnen, wenn sie als Augenoptikerin gebraucht wird.

Nach dem Abi 2015 am Goethegymnasium wollte die junge Frau Grafikdesign studieren. Eigentlich. Nachdem Durchblättern einer Zeitung wusste sie: „Ich will in einem Handwerksberuf arbeiten.“ Auch das braucht Geschick, meint die einstige Turniertänzerin, die sich heute im Sportstudio fit hält und gern zeichnet.

Hörakustiker/in

Voraussetzungen

- Es ist keine bestimmte Vorbildung vorgeschrieben. - Erwartet wird meist ein mittlerer Schulabschluss. - Wer die Möglichkeit hat, im Vorfeld ein Schnupperpraktikum zu absolvieren, sollte dies unbedingt tun.

Ausbildungsinhalte

- Individuelle Hörprofile bestimmen und beurteilen. - Berufsspezifische, audiologische und otoskopische Befunde erheben und bewerten. - Patienten hinsichtlich der Versorgungsmöglichkeiten mit Hörsystemen, Hörassistenzsystemen und Sonderversorgungen sowie Zubehör beraten und dabei individuelle Hörerwartung einbeziehen. - Dreidimensionale Abbilder des äußeren Ohrs erstellen. - Otoplastiken, individuellen Gehörschutz und Sonderotoplastiken herstellen. - Hörsysteme und Hörassistenzsysteme dem individuellen Hörprofil anpassen. - Patienten betreuen und Rehabilitationsmaßnahmen durchführen. - Service- und Instandhaltungsmaßnahmen an Hörsystemen, Hörassistenzsystemen und Sonderversorgungen, Zubehör durchführen. - Geschäfts- und Abrechnungsprozesse des Hörakustikbetriebes organisieren und ausführen. - Betriebliche und technische Kommunikation sowie Patientendatenschutz. - Planen und Organisieren von Arbeitsabläufen. - Durchführen qualitätssichernder Maßnahmen.

Berufsschule

Akademie für Hörakustik, Bessemerstraße 3, Lübeck

Ausbildungsdauer

36 Monate