Berlin. Keine Lust auf Sex? Der Libidoverlust bei Frauen kann viele Ursachen haben. Eine Expertin erklärt, ob sexuelle Unlust normal ist.

  • Libidoverlust kann sowohl Männer als auch Frauen treffen
  • Welche Ursachen kann sexuelle Unlust bei Frauen haben?
  • Eine Paar- und Sexualtherapeutin klärt auf

Sexuelle Unlust ist ein heikles Thema in Beziehungen. Schuldzuweisungen oder falsche Schlussfolgerungen machen es oft schwer, herauszufinden, warum die Erotik im Bett fehlt. Dabei sind die Probleme meist leicht zu lösen. Eine Paar- und Sexualtherapeutin nennt die häufigsten Ursachen für sexuelle Unlust und zeigt konkrete Wege auf, wie die Libido wieder befeuert werden kann.

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Beziehungen: Wie äußert sich sexuelle Unlust bei Frauen?

Keine Lust, Schmerzen oder kein Orgasmus: Die Sexualität von Frauen ist anfällig für Störungen. Nach Angaben des Berufsverbandes der Frauenärzte hat fast jede dritte Frau in Deutschland (zeitweise) keine Lust auf Sex. Etwa elf Prozent berichten über sexuelle Erregungsstörungen. Zehn Prozent haben Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und jede vierte Frau verspürt Hemmungen beim Orgasmus. Diese Orgasmus- und Erregungsstörungen sowie Schmerzen beim Geschlechtsverkehr werden unter dem Begriff Libidoverlust zusammengefasst. Die Paar- und Sexualtherapeutin Beatrice Wagner definiert diesen Zustand als „Verlust der sexuellen Lust“, wie sie unserer Redaktion sagte. Gleichzeitig betont sie, dass Libidoverlust nicht unbedingt bedeutet, dass die Betroffenen kein Verlangen nach Sex haben, sondern nur, dass sie vorübergehend weniger Interesse an Sex haben“.

Welche Ursachen kann sexuelle Unlust bei Frauen haben?

„Die Lust der Frau entsteht durch das Gefühl, in der Partnerschaft gesehen zu werden, sich im eigenen Körper wohl zu fühlen oder durch eigene Erfolge“, sagt die Paar- und Sexualtherapeutin Beatrice Wagner. Das sind Dinge, die Frauen Lust auf Sex machen. Umgekehrt können Verunsicherungen durch den Partner, den Job, aber auch durch Instagram-Filter und Schönheitsideale die Lust bei Frauen mindern.

Dr. Beatrice Wagner ist eine Paar- und Sexualtherapeutin mit einer Privatpraxis in der Nähe von München. Darüber hinaus ist sie Dozentin für Medizinische Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Buchautorin.
Dr. Beatrice Wagner ist eine Paar- und Sexualtherapeutin mit einer Privatpraxis in der Nähe von München. Darüber hinaus ist sie Dozentin für Medizinische Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Buchautorin. © privat

Oft stecken auch körperliche oder psychische Erkrankungen hinter der Lustlosigkeit: Gynäkologische Probleme wie Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie), Verkrampfungen der Scheidenmuskulatur (Vaginismus), Endometriose (Wucherungen von gebärmutterschleimhautähnlichem Gewebe im Unterleib) und Scheidentrockenheit führen zu Beschwerden, die das Lustempfinden beim Sex mindern.

Auch „Depressionen gehen häufig mit einem Libidoverlust einher und führen dazu, dass die Frau keine Lust mehr auf Sex hat“, sagt Wagner. Andere psychische Erkrankungen wie Angststörungen, psychische Traumata, Persönlichkeitsstörungen und Zwangsstörungen können ebenfalls eine Rolle spielen. Ebenso können Suchterkrankungen, Alkohol- oder Drogenmissbrauch zu einem Libidoverlust führen.

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Weitere Ursachen für sexuelle Unlust bei Frauen:

Hormonelle Gründe für sexuelle Unlust

Das Lustempfinden hänge auch vom Hormonhaushalt und damit vom Zyklus ab, sagt die Paar- und Sexualberaterin Wagner. Zudem gebe es Lebensphasen, in denen Frauen weniger Lust auf Sex hätten – zum Beispiel während oder kurz nach einer Schwangerschaft. In dieser Zeit machen Frauen nicht nur viele körperliche, hormonelle und psychische Veränderungen durch. Auch Angst, Stress und mangelndes Selbstvertrauen lassen Schwangere eine Achterbahn der Gefühle durchleben, was sich auf die Lust auswirkt. Hinzu kommen die Wechseljahre, die bei vielen das Interesse an Körperlichkeit schwinden lassen.

Pille und Co.: Medikamente als Lustkiller

Auch Medikamente können die Libido hemmen, schreibt die Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. (LZG). Dazu gehören Beruhigungsmittel, Antidepressiva und Mittel gegen Bluthochdruck. Bei diesen Medikamenten kommt es laut LZG in bis zu 80 Prozent der Fälle zu sexuellen Störungen, vor allem zu Lustlosigkeit und Orgasmusstörungen. Auch Kortison und einige Mittel gegen Magen-Darm-Beschwerden sollen diese Wirkung haben, ebenso die Antibabypille.

Kein Orgasmus - Zeichen von Lustlosigkeit?

Auch das Ausbleiben eines Orgasmus gehört zu den typischen Merkmalen sexueller Lustlosigkeit. Sex ohne Orgasmus ist aber laut Paartherapeutin Wagner keine typische Störung. „Manche Frauen erreichen oft nur die Plateauphase und selten die darauf folgende Höhepunktphase, also den Orgasmus“, sagt die Expertin. Die Plateauphase ist die längste Phase des sexuellen Reaktionszyklus. Sie entspricht einem dynamisch ansteigenden Erregungsniveau zwischen Erregungsanstieg und Orgasmus. „Frauen erkennen diese Phase daran, dass sich die Klitoris hinter die Vorhaut zurückgezogen hat“, erklärt die Paartherapeutin.

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Bis wann ist sexuelle Unlust normal?

Wie jedes Gefühl, jeder Gedanke und jede Empfindung ist auch die Lust nicht von Dauer. „So wie wir nicht immer hungrig sind oder nicht immer müde sind und schlafen können, so kommt und geht auch die Lust auf Sex oder Selbstbefriedigung“, sagt die Paartherapeutin Wagner. Sexuelle Unlust ist die Kehrseite der sexuellen Lust und laut der Expertin zunächst ganz normal und notwendig, um wieder Lust zu empfinden.

Wenn Lustlosigkeit, Schmerzen oder andere Probleme in der Sexualität aber dauerhaft auftreten und Leidensdruck verursachen, könnte es sich um eine sexuelle Funktionsstörung handeln. Frauen sollten dann dringend reagieren und einen Arzt aufsuchen. Auch ein hormonelles Ungleichgewicht kann oft mit ärztlicher Hilfe wieder ins Lot gebracht werden.

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Was hilft gegen sexuelle Unlust bei Frauen?

Laut Paartherapeutin Wagner sollten sich Frauen mit ihrem Körper und ihrer Lust, der selbstbezogenen Sexualität, auseinandersetzen. Dabei können sie sich folgende Fragen stellen: Worauf habe ich Lust und worauf nicht? Wann hat die sexuelle Unlust angefangen? Was wäre, wenn das Problem verschwinden würde? Welche Theorie habe ich, warum es im Bett nicht klappt? So lösen sich Probleme oft von selbst und sexuelle Wünsche und Vorlieben können besser ausgelebt werden.

Neben der Befriedigung der selbstbezogenen Sexualität sollten Frauen auch die partnerschaftliche Sexualität nicht vernachlässigen. Denn doppelt erregt besser. „Die Fähigkeit, sich auf den anderen einzustellen, macht das Gefühl der Verschmelzung erst möglich“, sagt Wagner. Paare können sich gegenseitig fragen, welche Berührungen sie in welcher Intensität mögen oder welche Stellungen sie bevorzugen und dies wiederum mit Worten oder Lauten ausdrücken. So kann der „Lustmotor“ angekurbelt werden und Sex wird mit der Zeit zu einer gemeinsamen lustvollen Aktivität.