Berlin. Die Bindungstheorie des Psychiaters John Bowlby unterscheidet zwischen vier Bindungstypen. Das sagen sie über Ihre Beziehung aus.

Bindungstypen begleiten den Menschen ein Leben lang. Schon als Kind zeigt sich unsere Bindungsfähigkeit und unser Bindungsmuster in der Beziehung zu den Eltern. Später als Erwachsene beeinflusst es unter anderem die Beziehung zum Partner. Wer die verschiedenen Bindungstypen verstehen lernt, kann nach Erkenntnissen der Psychologie bessere und stabilere Beziehungen führen.

Laut Psychologie: Diese vier Bindungstypen gibt es in jeder Beziehung

Die Bindungsforschung als eigenständige Disziplin der Psychologie ist relativ jung – sie entwickelte sich im 20. Jahrhundert mit der Bindungstheorie des Psychoanalytikers John Bowlby. Als Pionier der Bindungsforschung beschrieb Bowlby, dass vor allem das erste Lebensjahr prägend für die Entwicklung eines Kindes sei. Denn in diesem Jahr lernten Kinder, Vertrauen zu ihren primären Bezugspersonen aufzubauen. Dieses Urvertrauen der Kinder zu ihren Bezugspersonen präge maßgeblich die künftige Beziehung zu anderen Menschen.

Bowlbys Bindungstheorie wurde später von der Psychologin Mary Ainsworth experimentell überprüft. Sie entwickelte den Fremde-Situation-Test, mit dem sie die Bindungsfähigkeit von Kindern maß, wenn diese statt mit ihrer Bindungsperson mit einer fremden Person in einem Raum waren. Aus den Untersuchungsergebnissen entwickelte Ainsworth schließlich vier Bindungstypen, die erklären sollen, welches Bindungsverhalten ein Mensch in der Beziehung zu anderen Menschen zeigt:

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    1. Der sichere Bindungstyp

    Nach Ainsworths Typologie des Bindungsverhaltens sind sichere Bindungstypen in der Lage, offen über ihre Gefühle zu kommunizieren und sich selbst zu reflektieren. In ihrer Studie zeigten Kinder, die dem sicheren Bindungstyp zugeordnet wurden, ihre Frustration beispielsweise durch Weinen oder Schreien, wenn sie von ihrer Bezugsperson verlassen wurden. Bei der Rückkehr der Bezugsperson beruhigten sie sich jedoch schnell und konnten sich schließend problemlos von ihr lösen.

    Menschen mit diesem Bindungstyp können sich dem Modell zufolge also in Beziehungen auf andere verlassen, ohne völlig abhängig zu werden. Sie sind auch in der Lage, anderen schnell zu vertrauen, Nähe zuzulassen und Liebe anzunehmen.

    2. Der ängstliche Bindungstyp

    Menschen, die dem ängstlichen Bindungstyp – offiziell auch unsicher-ambivalente Bindung genannt – entsprechen, haben nach Ainsworth Beobachtungen ein negatives Selbstbild, brauchen daher ständig Bestätigung von außen und können es nur schwer ertragen, wenn ein geliebter Mensch Zeit allein verbringen möchte. Sie würden auch alles in der Beziehung überanalysieren und hätten große Angst vor Zurückweisung, Kritik, Untreue oder Verlassenwerden. Diese Menschen haben in ihren Beziehungen oft eine hohe Angst vor Ablehnung oder Verlust und senden oft gemischte Signale, indem sie einerseits Nähe suchen, aber andererseits auch ängstlich und unsicher in der Beziehung sind.

    Im Experiment zeigten sich Kinder dieses Bindungstyps ängstlich, verunsichert, passiv und stark auf die Bindungsperson fixiert. Im Beobachtungszeitraum versuchten sie, Trennungen von der Bindungsperson zu vermeiden. Kam es dennoch zu einer Trennungssituation, brauchten sie nach der Rückkehr der Mutter Zeit, um sich zu beruhigen.

    Verlustängste und Bindungsängste sind zwei Seiten derselben Medaille. Beide gehören zum ängstlichen Bindungsstil.
    Verlustängste und Bindungsängste sind zwei Seiten derselben Medaille. Beide gehören zum ängstlichen Bindungsstil. © iStock | Boris Jovanovic

    3. Der vermeidende Bindungstyp

    Nach dem Modell von Ainsworth ziehen sich vermeidende oder, wie die Psychologin sie nennt, unsicher-vermeidende Beziehungstypen in schwierigen Situationen zurück, um Konfrontationen zu vermeiden, und regeln ihre Angelegenheiten lieber selbst. Außerdem hätten sie Schwierigkeiten mit körperlicher Nähe und empfänden sie daher als einengend.

    Das bestätigte sich auch im Experiment: Kinder des unsicher-vermeidenden Bindungstyps zeigten bei Abwesenheit der Mutter keine Anzeichen von Beunruhigung oder Vermissen. Stattdessen akzeptierten sie die fremde Person als Ersatz und spielten ohne große Einschränkungen weiter. Dennoch konnte beobachtet werden, dass Kinder dieses Bindungstyps innerlich sehr unruhig waren und bei der Rückkehr der Bezugsperson Ignoranz und Ablehnung gegenüber Körperkontakt zeigten.

    4. Der desorganisierte Bindungstyp

    Unsicher-desorganisierte Bindungstypen suchen entweder extreme Nähe oder extreme Distanz, weshalb sie in der Wissenschaft oft als „Gefangene zwischen zwei Verhaltensweisen“ bezeichnet werden. Im Experiment zeigten Kinder des unsicher-desorganisierten Bindungstyps bei Abwesenheit der Bezugsperson ein ähnlich erhöhtes Stressniveau wie unsicher-vermeidende Kinder, was sich entweder in Aggressivität, Stimmungsschwankungen oder mangelndem Gefühlsausdruck äußerte.

    Übertragen auf Beziehungen lassen sich Menschen dieses Bindungstyps daher häufig von ihren Gefühlen leiten. Sie würden sich oft impulsiv und unberechenbar verhalten und hätten insgesamt ein negatives Selbst- und Fremdbild, was sich auch in Vertrauensproblemen niederschlage. Psychologen vermuten, dass vor allem eine schlechte Bindung zur primären Bezugsperson zu einem solchen Bindungsverhalten führt.