Erfurt. Zahl der Fälle 2018 wieder gestiegen. Gewerkschaft der Polizei kritisiert mangelnde Kontrolle von Waffenbesitzern

Am 9. Dezember 2018 hat ein Polizist einen Mann in Georgenzell (Kreis Schmalkalden-Meiningen) erschossen. Zuvor hatte der 28-Jährige das Feuer auf die Polizeibeamten eröffnet. Der mutmaßliche Angreifer war nicht im Besitz einer Waffenerlaubnis, kam aber ohne Probleme an zwei Schusswaffen heran.

Die Polizei registriert in Thüringen über Jahre, dass illegale Schusswaffen immer häufiger genutzt werden. In 214 Fällen soll 2018 damit geschossen worden sein, auf Sachen aber auch auf Menschen. 98-mal wurde mit einer Waffe oder einem so aussehenden Gegenstand gedroht, beispielsweise bei Banküberfällen. Das geht aus der aktuellen Kriminalstatistik hervor.

Vor fünf Jahren waren es 77 Fälle, bei denen Verdächtige Waffen abgefeuert hatten, vor 20 Jahren geschah das 148-mal. Beim genaueren Blick auf die Statistik zeigt sich: Es gab im Vorjahr 58 Fälle, bei denen Kriminelle bei Gewalttaten wie Mord, Freiheitsberaubung oder Körperverletzung auch geschossen haben. Wie viele Menschen in Thüringen durch illegale Schusswaffen getötet oder verletzt werden, erfasse die Statistik nicht, erklärte gestern die Polizei. Die Auflistung unterscheidet auch nicht zwischen scharfen Schusswaffen, Anscheinswaffen oder beispielsweise Schreckschusspistolen.

Deutschlandweit gebe es seit Jahren ein Zunahme der „kleinen Waffenscheine“, erklärt Kai Christ, Thüringenchef der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Beamten könnten kaum unterscheiden, ob ihr Gegenüber eine Schreckschusspistole oder eine scharfe Waffe habe. Aus der Nähe abgefeuert, würden auch Schreckschusspistolen schwere Verletzungen verursachen.

Zudem gebe es viel zu wenig Kontrollen bei Jägern und Sportschützen, ob diese ihre Waffen und die Munition vor fremdem Zugriff gesichert aufbewahren. Da seien die Ordnungsbehörden überfordert, kritisiert der GdP-Chef. Der Fall in Georgenzell zeige, welche Folgen es haben könne, wenn Waffen zu leicht erreichbar seien.

Als dritte Quelle für illegale Schusswaffen beispielsweise im Bereich organisierter Kriminalität nennt Kai Christ die 1994 abgezogene Sowjetarmee sowie den Jugoslawienkrieg.

Aus GdP-Sicht hat sich das Bedrohungspotenzial durch Schusswaffen in den vergangenen Jahren weiter erhöht. Das Land habe mit einer wirkungsvollen Verbesserung der Ausrüstung, beispielsweise dem Beschaffen sogenannter ballistischer Helme für die Beamten, auf diese Gefahren reagiert.

Immer öfter schießen aber auch Thüringer Polizisten selbst im Einsatz. Vergangenes Jahr waren das mehr als 330-mal. Das ist der bisherige Spitzenwert. Im Jahr davor waren es 284-mal.

Zumeist werde die Dienstwaffe gegen Tiere gerichtet, etwa bei aggressiven Hunden, wenn diese eine Gefahr darstellen, aber auch, wenn nach Unfällen weiter Tierqualen vermieden werden sollen. Allein im Vorjahr schossen Polizisten in 333 Fällen auf Tiere. Zehn Jahre davor waren es 126-mal.

Seit 2008 wurden im Freistaat durch Schüsse aus Polizeipistolen zwei Menschen getötet und ein Mensch verletzt.