Gera. Ausstellung zur Geschichte des Musikinstrumentenbaus in Gera angeregt. Die Stadt würdigte den Pfarrer im Ruhestand jüngst mit dem „Goldenen Simson“.

Er suchet der Stadt Bestes. Unentwegt. Gerade ist Franz Beutel unterwegs, die über ­200-jährige Geschichte des Geraer Musikinstrumentenbaus in die Köpfe zu pflanzen und eine Ausstellung anzustoßen. Der gelernte Orgelbauer sieht darin seinen Beitrag für die Kulturhauptstadtbewerbung 2025.

Für all das, was er bisher für die Stadt geleistet hat, wurde ihm voriges Jahr im Dezember der Goldene Simson verliehen. „Ich war total überrascht“, gesteht er. „Für mich ist es ein Zeichen der Aufmerksamkeit und Wertschätzung aus der Stadt, in der ich lebe und für die ich mich entschieden habe, im Ruhestand zu bleiben“. Der Silberne Simson war ihm 1999 verliehen worden. Wegen einer akuten Operation an seinem Herz konnte er die kleine goldene Figur, die Bezug auf den Simsonbrunnen auf dem Geraer Marktplatz nimmt, nicht persönlich entgegennehmen. Doch schon vom Krankenhaus aus widmete der Pastor im Ruhestand diese höchste Auszeichnung der Stadt Gera dem Freundeskreis für Flüchtlinge. Der 82-Jährige ist Mitbegründer und Vorsitzender des heute rund 20 Mitglieder zählenden Vereins.

„Ich habe mich immer verstanden als ein Mensch, der in der Stadt gern etwas zum Positiven bewegen möchte. Dazu gehört Aufmerksamkeit für das, was gerade ist“. So beschreibt Franz Beutel sein Lebensprinzip. Es ist kein Lippenbekenntnis. Denn Stationen in seinem Leben belegen das.

Als er 1980 aus Sonneberg nach Gera kam, um sich um die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde zu kümmern, gab er seiner ersten Predigt das Thema „Suchet der Stadt Bestes und bittet für sie zum Herrn“ aus Jeremia, Kapitel 29. „Meine Botschaft war, kümmert euch darum, dass es der Stadt gut geht, dann geht es auch euch gut“, erzählt er. Für die Gemeinde gelang es ihm, die Bleibe in einer alten Kneipe in der Richterstraße zu verlassen und das Grundstück in der heutigen Gagarinstraße 26 zu erwerben. Nach langer Bauzeit wurde dort im April 1990 der Gemeindesaal der Freien Evangelischen Gemeinde eingeweiht. Kurz zuvor war es mit der politischen Wende möglich geworden, Gefängnisseelsorge zu leisten. Weil Franz Beutel und seine Frau dafür bekannt waren, sich auch um Strafentlassene zu kümmern, sprach ein Polizist den Pfarrer an und fuhr ihn zum Gefängnis in der Greizer Straße. Wenig später war dieser Beistand als ein ökumenischer organisiert. „Von außen mag man denken, dass sind Evangelen, Katholiken und Freikirchen. Aber wir haben einen Glauben. Zwar in unterschiedlicher Form, aber mit einem Inhalt. Wir alle wissen, dass es Gott gut mit uns meint. Wir wollen diese Liebe Gottes den Menschen präsentieren“.

Das ist typisch für ihn: Er öffnet Türen

Franz Beutel hatte die Chance, Türen zu öffnen und nutzte sie. Noch Jahre später war er im Beirat der Justizvollzugsanstalt Gera. Für ihn sei es etwas sehr Spezielles gewesen, zu spüren, dass die Fachleute den Rat der Nichtfachleute wünschen, wie er es nennt. Wenig später öffnete er eine weitere Tür zur Telefonseelsorge. 1993 ging diese anonyme Lebensberatung, ebenfalls auf ökumenischer Basis, in Gera ans Netz.

Dass er es war, der sich mit Mitstreitern ab 2015 um Flüchtlinge in Gera kümmerte, hat auch einen Anfang in seiner Lebensgeschichte. Als Pastor für die Baptistengemeinde in Gera betreute er einen Eisenberger Gemeindeteil. In der Kreisstadt gab es schon vor der Wende eine Aufnahmestelle. Für Bürger aus der BRD, die in der DDR heimisch werden wollten aber auch für Spätaussiedler, die aus der Sowjetunion kamen.

Mutig und menschlich handelt er. Anfangs oft allein. „Aber die Gemeinde wusste immer Bescheid“, erzählt er. Tatsächlich gelang es in allem was er anpackte, Gleichgesinnte zu finden, die ihn unterstützen. Natürlich habe er auch Unverständnis erlebt. „Aber ich habe immer versucht, ausgewogen und gerecht mit den Dingen umzugehen. Im Nachhinein habe ich viel Dankbarkeit erfahren“.

Um im Bilde zu sein, wie um der Stadt Bestes gerungen wird, verpasst der 82-Jährige fast keine Stadtratssitzung. „Unabhängig wer Oberbürgermeister ist“, betont er. In der Sache müsse es weiter gehen. Nächsten Donnerstag aber wird er fehlen. Dann plant er eine eigene Veranstaltung. Er ist beseelt davon, in Gera eine Ausstellung zum Musikinstrumentenbau möglich zu machen.

Ja, er hat Orgelbauer gelernt und auch während seiner Geraer Zeit einige Klaviere gestimmt. Aber die eigentliche Entdeckung hat er seinem Enkel Jonathan zu verdanken. Beutels haben drei Kinder und sieben Enkel. Der 23-Jährige ist heute Flügelbauer bei Schimmel in Braunschweig. Als er vor mehr als vier Jahren ein Schuljahr in den Musikspezialklassen absolvierte, recherchierte er zur Geraer Musikgeschichte. Gemeinsam mit dem Opa. „Ich kannte die Friedericistraße“, erzählt der. „Aber nicht die Brüder Friederici, die in Gera 1737 mit dem Orgelbau begannen“. Im Grassimuseum Leipzig recherchierten Großvater und Enkelsohn und entdeckten, dass Gera eine europäische, musikgeschichtliche Dimension hat. Zwei Pyramidenflügel existieren noch. Die Instrumente von Christian Ernst Friederici (1709-1780) sind im Goethehaus in Frankfurt am Main und im Instrumentenmuseum Brüssel zu sehen. „Liebe Leute, wenn wir die Kulturhauptstadt wollen und nicht an dieser Stelle gewaltig forschen und investieren, dann sind wir selber schuld“, sagt Franz Beutel. Zuerst habe er Lothar Hoffmann, dem Cheforganisator der Fête de la Musique von seiner Idee erzählt. Inzwischen hat er sie im Kulturnetz vorgestellt. Dort war auch Kulturhauptstadtmanager Peter Baumgardt dabei. Inzwischen bezeichnete der die Geschichte des Musikinstrumentenbaus in Gera als einen Schatz, der noch gehoben werden muss. Erste Reaktionen gibt es. So wurde Franz Beutel auf ein Buch von Yvonne Hempel aus Gera-Langenberg über die Geraer Musikinstrumentenbauer aufmerksam.

Für Donnerstag, den 11. April, von 17 bis 19 Uhr sind Interessenten eingeladen, sich über den Aufbau einer Ausstellung zur Geschichte des Musikinstrumentenbaus im Stadtmuseum auszutauschen. Gemeinsam suchen sie dann der Stadt Bestes.