Im Gespräch Jürgen Kepke, der 28 Jahre Vorsitzender des Schwimmvereins Gera war

Herr Kepke, am 15. März wurde Geras Bürgermeister Kurt Dannenberg als Vorsitzender des Schwimmvereins Gera gewählt. Warum haben Sie nach 28 Jahren als Vorsitzender die 30 nicht voll gemacht? Hat man Sie nicht vorgeschlagen?

Der Vorstand hatte mich vorgeschlagen, aber ich konnte an der Wahlversammlung nicht teilnehmen. Ich bin seit Ende Januar schwer krank und musste mich Ende Februar einer komplizierten Augenoperation mit ungewissem Ausgang unterziehen. Am 26. Februar, am Tag bevor ich ins Krankenhaus gegangen bin, habe ich mich entschieden. Gibt es einen Gegenkandidat, stehe ich nicht zur Verfügung. Meinen Stellvertreter und Geschäftsführer Hans-Jürgen Günther habe ich bevollmächtigt, dies in der Mitgliederversammlung so zu erklären.

Im Verein brodelte es. Manche meinten, wenn der Kepke weg ist, geht auch der festangestellte Trainer. Erfüllt sich diese Hoffnung jetzt?

Der Trainer hat einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit dem Schwimmverein. Es obliegt dem neuen Vorsitzenden, wie es hierzu weitergeht. Der Schwimmverein Gera ist gegenüber dem Landessportbund mit dem durch den Freistaat geförderten Übungsleiter-Sharing Verpflichtungen bis zum Ablauf des Projektes im März 2020 eingegangen. Daran hängt für den Schwimmverein Gera seit 2017 ein Zuschuss von 15.000 Euro pro Jahr für drei Jahre. Der Betrag ist mit dem Nachweis eines Arbeitsvertrages eines festangestellten Trainers verbunden. Jeder, der jetzt in Verantwortung ist, muss das wissen.

Welche Verpflichtungen sind das?

Frank Adam ist für drei Vertragspartner, den Thüringer Schwimmverband, den 1. SC Greiz und den Schwimmverein Gera maßgeblich bei der Gewinnung von Nachwuchsleistungssportlern im Kindesalter tätig. Zum Start des Projektes stand der Schwimmverein Gera ohne Trainer da, denn die über zwei Jahrzehnte tätigen Trainer hatten gekündigt. Der Anfang 2017 eingestellte Trainer kündigte ebenfalls nach sechs Monaten. Dann ruhte das Projekt bis zum Oktober 2017. Der Schwimmverein suchte deutschlandweit und in 250 Schwimmvereinen Mitteldeutschlands durch Direktansprache der Vorstände nach einem neuen Trainer. Wir mussten feststellen, dass es fast unmöglich war, einen hauptamtlichen Trainer zu verpflichten. Natürlich stehen wir im Fokus des Landessportbundes.

Wie viele neue Vereinsmitglieder hat Trainer Adam schon gewinnen können?

Allein in diesem Schuljahr sind es bislang 73 Kinder. Die Quelle sind die Schwimmlehrgänge im letzten Kindergartenjahr. Wir arbeiten mit bis zu 35 Kindergärten aus Gera und dem Landkreis Greiz zusammen.

Der Vorstand ist bis auf zwei Mitglieder komplett neu. Ist es ein Generationswechsel, der sich vollzogen hat oder verstehen Sie das Wahlergebnis als Abrechnung mit Ihnen?

Bereits 2016 zur Wahlversammlung haben wir als Vorstand erklärt, dass wir den Verein geordnet in junge Hände übergeben müssen und ich habe gesagt, dass ich mich sehr freuen würde, wenn sich hierfür jemand bereitfindet.

Nun haben Weggefährten mit Ihnen gemeinsam die Vorstandsarbeit beendet. War das besprochen?

Der Kern, der Jahrzehnte zusammengearbeitet hat, wollte auch den Staffelstab übergeben und sich nicht auseinander dividieren lassen. Das hat etwas mit Loyalität zu tun.

Wie sind Sie zum Schwimmen gekommen?

Ich bin Schwimmer seit meinem sechsten Lebensjahr. Ich wuchs in Elsterberg auf und schwamm bei der BSG Einheit Greiz, dann war ich fünf Jahre im Sportclub DHFK Leipzig, auf der Kinder- und Jugendsportschule. Nach meinem Volkswirtschaftsstudium kam ich 1979 nach Gera. Seit 1980 war ich Übungsleiter im Trainingszentrum Schwimmen und lehrte bis 1989 etwa 1000 Kindern das Schwimmen. Nach der Wende entstand die Idee, den Schwimmverein aus der BSG Wismut auszugründen.

Wer hatte die Idee?

Das war Hans-Jürgen Günther. Er hat sich einfach hingestellt und gesagt, wir gründen einen Verein. Aber nur unter der Bedingung, dass ich den Vorsitzenden mache. Ich habe mich nicht verweigert. Am 14. Januar 1991 waren wir 95 Gründungsmitglieder. Zum Vorstand gehörten damals Hans-Jürgen Günther als Geschäftsführer, Frank Petzold als 2. Vorsitzender, Reiner Dittrich als Schwimmwart, Harald Bühne als Wasserballwart und Heidrun Besser als Schriftführerin. Mit einem Trainer auf ABM-Basis begannen wir, ehe es 1993 die erste Festanstellung gab.

Der Schwimmverein Gera war zeitweise einer der größten in Thüringen. Wann war das?

Über 1000 Mitglieder hatten wir das erste Mal 1995. Unsere Spitzenzeit war 1998/99. Da erreichten wir eine Mitgliederzahl von 1250. Den ersten großen Knick erlebten wir zur Sanierung der Schwimmhalle, die von Ende 1999 bis 2001 für uns nicht zur Verfügung stand. Obwohl es damals noch die Schwimmhalle in Tinz und das alte Stadtbad gab, verloren wir etwa 600 Mitglieder. 2005 erreichten wir noch einmal 1000 Mitglieder und blieben dann in etwa stabil bis zum Hochwasser 2013. Hier brachen wir auf etwa 600 Mitglieder ein und verloren einen kompletten Jahrgang von Schwimmanfängern. Davon haben wir uns bis heute noch nicht erholt. Deshalb ist es umso wichtiger, dass der Schwimmverein als Maßnahmeträger vom Landessportbund für das Übungsleiter-Sharing bewilligt wurde.

An welche sportlichen Erfolge erinnern Sie sich?

In den ersten Jahren, da waren wir Talent-Leistungszentrum, schwammen unsere Sportler in der deutschen Spitze. Unser größtes Aushängeschild in der jüngsten Vergangenheit war Josif Miladinov. Er schwamm bis 2018 für den Schwimmverein und holte mehrfach Gold bei den Deutschen Jahrgangsmeisterschaften. Neben Josif erzielte auch Alexander Behr Medaillenplatzierungen. Etwas Unvorstellbares ist damit passiert. Wir waren deutschlandweit der siebenterfolgreichste Schwimmverein. Sonst erreichten wir Plätze zwischen Rang 100 oder 150. Heute besucht der junge Mann, der aus Bulgarien zu uns kam, ein Sportgymnasium in der Schweiz.

Was machen Sie mit der neu gewonnen Freizeit?

Ich bin nicht einer, der dem Ehrenamt böse nachtrauert. Ich habe alles erreicht, was unter den Bedingungen vor und nach der Wende möglich war. Ich habe wegen der Ungleichbehandlung der Schwimmer mit dem Land und der Stadt gestritten und nur bedingt etwas erreichen können. Das Wichtigste auf der Habenseite ist, dass wir nach wie vor in Anfänger-Schwimmlehrgängen etwa 450 Kinder im Vorschulalter in jedem Jahr das Schwimmen lernen und somit etwas für unseren Nachwuchs im leistungssportlichen Bereich als auch etwas dafür tun, dass die leider zunehmende Anzahl an Nichtschwimmern in der Bevölkerung durch unsere Arbeit gemindert wird. Schlecht ist, dass die Schwimmer sowohl in Thüringen als auch in der Stadt Gera die einzigen sind, die zur Kasse gebeten werden. Mein Schritt, von der Spitze wegzugehen, war in den letzten Jahren immer beabsichtigt. Er ist erfolgt. Das ist gut so.

Bleiben Sie Mitglied im Schwimmverein?

Selbstverständlich. Mein Herz hängt an dem Verein.

Gehen Sie Schwimmen?

Nach der OP habe ich mich noch nicht wieder getraut. Ab Mitte Mai glaube ich, dass ich wieder schwimmen gehen kann.