Neustadt/Orla. Als es Anfang Januar einer 83-jährigen Frau aus Neustadt/Orla sehr schlecht ging, wurde der Versuch, den Rettungsdienst anzufordern, zu einer Herausforderung.

In einer medizinischen Notlage hofft jeder Mensch auf schnelle Hilfe. So auch Laura Theuner und Tobias Zimmer aus Neustadt an der Orla, als es Anfang Januar einer 83-jährigen Frau aus Zimmers Familie sehr schlecht ging. Doch der Versuch, den Rettungsdienst anzufordern, geriet zur Herausforderung.

„Gestern Abend haben wir etwas so unglaublich Enttäuschendes erlebt, dass ich gar nicht beschreiben kann, wie wütend ich bin“, leitet Theuner einen längeren Facebook-Beitrag vom 9. Januar ein. Die Seniorin habe an dem Abend über starke Unterleibsschmerzen und Kreislaufprobleme geklagt und sei aufgrund dessen bewegungsunfähig gewesen. Zunächst habe die Familie versucht, den ärztlichen Bereitschaftsdienst zu kontaktieren, dort aber später die Auskunft erhalten, dass der diensthabende Mediziner länger gebunden sei und es dauern könne, bis Hilfe eintrifft.

Notoperation und künstliches Koma

Auf Nachfrage der Redaktion bestätigt der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen, Veit Malolepsy, dass in der Region zu solchen Zeiten nur ein Mediziner im Notdienst in Bereitschaft stehe. Das hänge mit der räumlichen Ausdehnung, der dünnen Besiedelung und der Zahl der Mediziner im Landkreis zusammen und habe sich bewährt. „So wie die Situation beschrieben wird, war das aber ein Fall für den Rettungsdienst“, schätzt Malolepsy.

Die 112 war die zweite Telefonnummer, die die Familie wählte. „[Ich] musste mir sagen lassen, es wäre keine lebensbedrohliche Situation und [ich] solle doch bitte den ärztlichen Notdienst anrufen“, so Theuner. Den Tonfall aufseiten der Leitstelle beschreibt sie als „pampig“. Nach weiteren Telefonaten habe sie sich nicht mehr zu helfen gewusst. „Aus Verzweiflung rief ich bei der Polizei an.“

Einer engagierten Polizistin sei es gelungen, die Leitstelle dazu zu bewegen, Hilfe zu schicken, sodass nach mehr als einer Stunde ein Notarzt eintraf und die ältere Frau mit dem Rettungswagen in die Klinik nach Pößneck gebracht wurde. Notarzt und Sanitäter hätten vor Ort in Neustadt großartige Arbeit geleistet. Laura Theuner und Tobias Zimmer beschreiben das Ergebnis so: Die Situation sei lebensbedrohlich gewesen, die Frau habe notoperiert werden müssen und liege im künstlichen Koma.

Peter Lahann, Pressesprecher des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt, welcher neben dem Saale-Orla-Kreis Träger der Rettungsleitstelle ist, erläutert das Verfahren. Der Notruf 112 sei im Gegensatz zum kassenärztlichen Notfalldienst unter der 116 117 für mutmaßlich lebensbedrohliche Erkrankungen und Verletzungen vorgesehen. „Maßgeblich ist die durch den Disponenten vorgenommene Einschätzung der Dringlichkeit nach Beschreibung des Anrufers.“

Der Disponent entscheidet

Im Ausnahmefall könne es nach den abgefragten Parametern und dem Entscheidungsprozess dazu kommen, dass die Alarmierung des Rettungsdienstes abgelehnt wird.

Grundsätzlich seien Disponenten einer Rettungsleitstelle für das Entgegennehmen und Einschätzen von Notrufen sehr gut ausgebildet. „Nur Personen mit einer feuerwehrtechnischen Qualifikation oder mit der Ausbildung als Rettungsassistent beziehungsweise Notfallsanitäter dürfen per Gesetz die Tätigkeit eines Disponenten ausüben“, heißt es weiter. Hinzu komme eine Pflichtausbildung zum Leitstellendisponenten. Der Disponent treffe die Entscheidung aufgrund der vorliegenden Informationen und seiner Qualifikationen und auf Erfahrungen beruhenden, individuellen Einschätzung. „Darüber hinaus achtet der Disponent auch auf parallel laufende Einsätze und die gebundenen Rettungsmittel“, verdeutlicht Lahann.

Laura Theuner und Tobias Zimmer wollen auf das Thema aufmerksam machen. Ihr vielfach geteilter Beitrag zählt Kommentare, die auf ähnliche Erfahrungen hinweisen.