Nach Trennung über Tausende Kilometer endlich glücklich vereint in Weimar

Susanne Seide
| Lesedauer: 4 Minuten
Bei ihrer Online-Hochzeit waren Merzije (21) und Emir (22) noch getrennt – aber dennoch am Bildschirm innig vereint. Inzwischen konnte die junge Frau ihrem Mann nach Weimar folgen.

Bei ihrer Online-Hochzeit waren Merzije (21) und Emir (22) noch getrennt – aber dennoch am Bildschirm innig vereint. Inzwischen konnte die junge Frau ihrem Mann nach Weimar folgen.

Foto: Norman Heydenreich

Weimar.  Frisch verheirateter Krimtatarin gelingt Flucht zu ihrem Ehemann nach Weimar. Im Gespräch mit unserer Zeitung erzählt das Paar, das online getraut wurde, seine ungewöhnliche Geschichte:

Bei ihrer Online-Hochzeit waren sie noch Tausende Kilometer voneinander entfernt: die Braut Merzije (21) auf der Krim und ihr Bräutigam Emir (22) in Weimar. Inzwischen ist das Paar in der Kulturstadt vereint und berichtet über die vergangene Zeit und Zukunftspläne.

Merzije, wie ist es Ihnen gelungen, so schnell nach Weimar zu gelangen?

Am Tag nach unserer kirchlichen Online-Trauung bin ich mit Emirs Mutter von der Krim aufgebrochen und durch Russland bis an die lettische Grenze gefahren. Dort gab es zunächst Probleme bei der Einreise, da die russischen Besatzer der Krim seit 2014 nur russische Pässe ausstellen. Von dort aus ging es über Polen direkt nach Weimar, wo wir vier Tage nach unserer Abfahrt von der Krim sehr erschöpft, aber glücklich ankamen.

Wann haben Sie sich kennengelernt, wann reifte Ihr Entschluss zu heiraten?

Ich habe Emir im September 2016 kennengelernt. Am 1. Juli 2022 hat er mir einen Heiratsantrag gemacht. Unsere Verlobung wurde für Ende Oktober geplant. Nachdem Emir im September fliehen musste, war das nicht mehr möglich. In den folgenden Monaten entwickelten wir den Plan für unsere digitale kirchliche Hochzeit und meine Flucht.

Emir, wann haben Sie sich warum entschlossen, Ihre Heimat zu verlassen?

Wir beide gehören zur indigenen Minderheit der Krimtataren in der Ukraine, die seit der Annexion der Krim durch das russische Imperium Ende des 18. Jahrhunderts, Deportation unseres ganzen Volkes 1944 durch Stalin und nun seit der erneuten Annexion der Krim 2014 systematischer Verfolgung durch Russland ausgesetzt sind. Im September 2022 begann die Mobilisierung der männlichen Krimbewohner, vor allem der Krimtataren, in die russische Armee. In den ersten Tagen der „Teilmobilmachung“ erhielten mindestens 1500 Krimtataren den Einzugsbefehl. Ich habe meine Heimat verlassen, weil ich nicht gegen meine ukrainischen Landsleute kämpfen wollte.

Haben Sie bei Ihrer Trennung wirklich geglaubt, sich wieder in die Arme schließen zu können?

Wir haben gehofft und daran geglaubt, dass wir einen Weg finden, um wieder zusammen zu sein. Wann und wo das sein würde, wussten wir damals nicht.

Wie hat es Sie nach Weimar verschlagen?

Emir: Meine Flucht nach Deutschland führte mich zunächst über Russland nach Kasachstan. Von Weimar habe ich durch meine Schwester erfahren, die seit ihrer Flucht aus der Ukraine in Weimar studiert.

Wie kamen Sie auf die Idee der Online-Hochzeit?

Emir: Wir vermissten uns sehr, und ich wollte, dass Merzije bald zu mir kommt. Das war für unsere Eltern nur nach der kirchlichen Heirat möglich. Daher entwickelten wir gemeinsam diese Idee. Wir hatten bis dahin nicht von einem Beispiel gehört. Es gab einige technische Herausforderungen, da die üblichen Videokonferenz-Lösungen in den russisch besetzten Gebieten nicht erlaubt sind. Doch alle diese Probleme konnten wir rechtzeitig lösen.

Wo sind Sie in Weimar untergekommen?

Merzije: Eine Weimarer Familie aus der Initiative „Frieden und Solidarität mit der Ukraine“ hat mich bis auf weiteres aufgenommen und eine Patenschaft für das Ankommen in Weimar und die Behördengänge übernommen.

Und wie fühlen Sie sich jetzt in Weimar?

Merzije: Ich hatte zunächst Angst vor dem, was mich in dem fremden Land erwarten würde. Doch inzwischen fühle ich mich sicher. Und ich bedanke mich herzlich bei allen, die mir nach meiner Ankunft geholfen haben.

Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?

Merzije: Wir beide haben eine abgeschlossene Berufsausbildung. Emir hat bereits ein Praktikum abgeschlossen und ein Jobangebot in seinem Beruf als Zahntechniker erhalten. Ich werde zunächst einen Deutschkurs machen und möchte dann in meinem Beruf als Apothekerin arbeiten. Längerfristig möchte ich gerne mit Kindern arbeiten. Wir wollen eine Familie gründen und auch Kinder haben. Solange Krieg und Besatzung in unserer Heimat ist, wollen wir hierbleiben.

Wen mussten Sie zurücklassen, besteht Hoffnung auf ein Wiedersehen?

Wir mussten unsere Familie, unsere Großeltern und alle unsere Freunde zurücklassen. Wir hoffen sehr auf ein Wiedersehen nach dem Ende des Krieges.

Werden Sie in Weimar Ihre Hochzeit noch einmal groß zusammen feiern?

Wir wollen unsere standesamtliche Hochzeit in Weimar nachholen und die Feier im engen Freundeskreis begehen. Allerdings nimmt unser Freundeskreis überraschend schnell zu.