Lippersdorf. Auch Zecken fühlen sich dort wohl und womöglich auch Hyalomma.

Gleich mehrere städtische Grünflächen will Stadtroda in den kommenden Jahren in blühende Wiesen verwandeln. Wildblumen, Rotklee, aber auch Kräuter sollen dort neben verschiedenen Gräsern gedeihen.

Zeckenforscher Jochen Süss aus Lippersdorf begrüßt solche Initiativen zur Rettung der Artenvielfalt ausdrücklich, er weiß aber auch um die Risiken, die solche blühende Wiesen haben. Denn nicht nur für summendes und brummendes Getier sind die zugewachsenen Flächen ein Paradies, auch für Zecken sind sie eine Oase. Hinzu kommen optimale Witterungsbedingungen für die Spinnentiere. „Wenn es feucht und warm ist, fühlen sich Zecken am wohlsten“, weiß Süss. Zudem habe man es mit großen Populationen zu tun. Die Chance sei deshalb hoch, von einer Zecke gebissen zu werden. Mit oftmals fatalen Folgen: „2018 wurde in Deutschland die höchste FSME-Erkrankungszahl registriert“, sagt Süss. Seit vielen Jahren schon ist der Saale-Holzland-Kreis ein Zecken-Risikogebiet.

Womöglich sieht man sich in ein paar Jahren einer ganz anderen Gefahr gegenüber, als jener, die bislang vom Holzbock ausgeht. Die Zeckenforscher sind seit geraumer Zeit wie elektrisiert, wenn von der Hyalomma-Zecke die Rede ist. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts in Berlin findet man seit 2007 Hyalomma-Zecken auch in einigen Jahren und einigen Regionen in Deutschland. Beispielsweise wurden im vergangenen Jahr 19 Exemplare in acht unterschiedlichen Bundesländern (Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Berlin und Schleswig-Holstein) gefunden. Zwar trug keine dieser Zecken Infektionserreger wie beispielsweise das meist für Menschen tödliche Krim-Kongo-Virus in sich.

Allerdings sind sich die Forscherwelt uneinig, was das künftige Gefahrenpotenzial angeht, das von Hyalomma in Deutschland ausgehen könnte. Die Zecke, eigentlich in Teilen Asiens und Afrikas sowie in einigen Regionen Südosteuropas verbreitet und bis zu fünf Mal so groß wie der gemeine Holzbock, könnte angesichts des Klimawandels auch in Deutschland heimisch werden. Laut dem Robert-Koch-Institut ist es derzeit zwar unklar, ob die im Winter überlebenden Tiere ausreichen, um langfristig eine eigene Population in Deutschland aufzubauen. Süss hält es hingegen nicht für ausgeschlossen, dass die Zecke, die jedes Jahr millionenfach über Zugvögel nach Deutschland eingeschleppt wird, eines Tages ihr biologisches Entwicklungsprogramm hierzulande durchziehen könnte. „Die Chancen sind da“, sagt Süss, der kürzlich in Weimar auf einem von ihm organisierten Kongress in Weimar mit über 200 Zeckenforschern aus 31 Ländern auch über Hyalomma ausgiebig diskutierte.

Hyalomma ist nicht nur größer als Ixodes ricinus, der gemeine Holzbock, sondern nutzt eine andere Taktik, um an das Blut des Wirtes zu gelangen. Während sich Holzböcke auf ihren Wirt von Grasstängeln oder im Gebüsch herabfallen lassen, geht Hyalomma offensiv auf ihr Opfer zu. „Die Zecke wird unter anderem durch Bodenvibrationen auf den Wirt aufmerksam und rennt sprichwörtlich 20 bis 50 Meter auf ihr Opfer zu“, erklärt Süss. Bevorzugt würden Pferde und andere Nutztiere, aber auch Menschen würden nicht verschmäht. „In ihren Heimatländern ist Hyalomma gefürchtet.“ Das Krim-Kongo-Hämorridische Fieber verursache unstillbare Blutungen.