Berlin. Ein spanischer Städteplaner hat durch Zufall eine erstaunliche Entdeckung gemacht: Unkraut kann durchaus positive Auswirkungen haben.

Für die meisten Menschen ist Unkraut, das im Garten oder in der Einfahrt zwischen den Pflastersteinen sprießt, kein Grund zur Freude. Doch tatsächlich können die Pflanzen insbesondere in Großstädten einen positiven Effekt haben. Das hat nun ein spanischer Stadtplaner aus Santiago de Compostela herausgefunden – und das auch noch fast unbeabsichtigt.

Der Architekt Ángel Panero entdeckte während des Corona-Lockdowns, dass in den Fugen zwischen den Grantitplatten auf dem großen Platz vor der Wallfahrtskirche in Santiago de Compostela unzähliche kleine Pflänzchen wuchsen. Daraufhin stellte sich Panero, der in der Stadtentwicklung unter anderem für die Reparatur der Steinplatten zuständig ist, die Frage, was passieren würde, wenn alle Fugen in der Stadt mit solchen Pflanzen besiedelt werden würden.

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Unkraut in der Stadt: Bis zu 28 Grad Temperaturunterschied

Der Stadtplaner dachte dabei vor allem an Probleme bei der Wasseraufbereitung, mit der die Stadt zu kämpfen hat. Ein Konsortium der ortsansässigen Universität untersuchte daraufhin die Pflanzen – und machten eine erstaunliche Entdeckung: Die mit Unkraut bewachsenen Flächen waren deutlich kälter als die unbewachsenen Platten. Während sich die Platten normalerweise bei einer Außentemperatur von 30 Grad auf bis zu 55 Grad erhitzen konnten, waren die mit Unkraut bewachsenen Böden bis zu 28 Grad kühler.

In Kopfhöhe fiel der Unterschied zwar deutlich geringer aus, betrug aber immer noch zwei bis drei Grad. "Die Ergebnisse sind sehr ermutigend, gerade was die Wärmeregulierung angeht. Denn Santiago besteht aus Granit", sagt Panero dem Wissenschaftsmagazin "Spektrum". Verursacht werde der Temperaturunterschied dadurch, dass die Pflanzen ihre Poren öffnen müssten, um Fotosynthese zu betreiben. Dadurch wiederum verdunste Wasser, das der Umgebung Energie entziehe – wodurch die Temperatur sinke.

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Pflanzen können wichtige Leistung für Ökosystem bringen

Und die Pflanzen hätten noch weitere positive Effekte: Sie würden etwa Wasser speichern, Sauerstoff produzieren und auch die Stabilität der Platten erhöhen, so Panero. "Etwas scheinbar Belangloses, wie die Besiedlung der Bodenfugen in einer Stadt, kann also sehr wichtige Ökosystemleistungen bringen", sagte der Stadtplaner gegenüber "Spektrum". Tatsächlich ist aber nicht jedes Gewächs wirklich hilfreich, manche hielten zum Beispiel den Menschenmassen auf dem Platz gar nicht stand. Allerdings müsse sich der Einsatz nicht nur auf Böden beschränken, es funktioniere genauso gut auch auf Mauern, sagte der Stadtplaner.

Panero und sein Team testen die Idee nun auf einem Versuchsfeld in einem angelegenen Teil der Stadt, um den Nutzen der Unkräuter zu belegen. Damit wollen sie anschließend die Stadt von dem Konzept überzeugen. (csr)