Berlin. Bei den Preisbremsen für Strom und Gas melden immer mehr Verbraucher Ärger mit ihrem Versorger. Finanztip erklärt, wie Sie sich wehren.

Auch ein halbes Jahr nach dem Start der Energiepreisbremsen patzen Strom- und Gasanbieter und prellen Verbraucherinnen und Verbraucher häufig um Hunderte Euro. Wer seit 1. März in einem teuren Strom- oder Gasvertrag gefangen ist (oder zeitweise war), soll von der Strom- und Gaspreisbremse profitieren.

Bei Energiepreisen von über 40 Cent pro Kilowattstunde (kWh) für Strom oder über 12 Cent/kWh für Gas zahlt der Staat den Großteil der darüberliegenden Kosten. Den Rabatt sollen die Energieanbieter automatisch weitergeben, die monatliche Abschlagszahlung wird reduziert.

Energiepreisbremse: Verbraucher melden drei große Probleme

Wie der Geldratgeber Finanztip berichtet, ignorieren verschiedene Energieversorger aber die gesetzlichen Vorgaben. Manche Verbraucher haben von den Preisbremsen noch gar nichts gesehen, bei anderen fällt der Rabatt zu niedrig aus. Weil keine offizielle Stelle die Anbieter kontrolliert, müssen Betroffene selbst aktiv werden. Dabei steht ihnen ein hilfreiches Instrument zur Seite: die Verbraucherbeschwerde.

Paragraf 111a des Energiewirtschaftsgesetzes verpflichtet Energieanbieter, innerhalb von vier Wochen auf die Beschwerde von Kunden zu reagieren. Betroffene können sich auf diesen Paragrafen berufen, Druck machen und so die häufigsten Preisbremsenprobleme lösen.

Problem 1: Preisbremse kommt gar nicht an

Verbraucher in Verträgen oberhalb der Preisbremsenschwellen sollen per Infoschreiben erfahren, wie ihr Rabatt berechnet wird und wie hoch er ausfällt. Obwohl das Schreiben verpflichtend ist, haben Anbieter wie die NEW Energie gegenüber Finanztip angegeben, sie überhaupt nicht verschickt zu haben. Hintergrund sei die komplizierte Integration der Preisbremsen in das Abrechnungssystem, worüber mehrere Energieversorger klagen.

Die NEW Energie beteuert, die Abschläge bei den meisten Kunden pauschal gesenkt zu haben und betroffenen Kunden die Preisbremse in der Jahresabrechnung anzurechnen. Anbieterübergreifend liegen Finanztip jedoch zahlreiche Fälle vor, in denen bei Betroffenen noch gar keine Preisbremsenrabatte angekommen sind.

Für den Strom, der ins eigene Zuhause gelangt, zahlen Verbraucherinnen und Verbraucher teils mehr, als sie müssten.
Für den Strom, der ins eigene Zuhause gelangt, zahlen Verbraucherinnen und Verbraucher teils mehr, als sie müssten. © imago images/Jochen Tack | imago stock

Problem 2: Abschlagszahlungen wurden ausgesetzt

Andere Versorger, die ebenfalls an der Preisbremsenberechnung scheitern, verfolgen eine andere Strategie. Sie ziehen von den Bankkonten der Kunden zum Teil seit Monaten keine Abschläge ein. Das Argument: Solange die korrekte Zahlung inklusive Preisbremse nicht ermittelt wurde, sollen keine falschen Beträge verlangt werden.

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Oft bemerken Betroffene erst spät, dass der Versorger schon lange nicht mehr abgebucht hat. Sobald der Anbieter die Berechnung endlich geschafft hat, fordert er auf einmal eine hohe Nachzahlung für alle verpassten Monate. Bei einem knappen Kontostand kann das Probleme bereiten.

In diesen Fällen kann man nach einer Ratenzahlung fragen und mit dem Entgegenkommen des Anbieters rechnen. Wer dagegen frühzeitig bemerkt, dass keine Abschläge eingezogen werden, weil die Preisbremse noch nicht berechnet wurde, sollte laut Finanztip nicht nur Geld für die Nachzahlung bereithalten, sondern auch Beschwerde einreichen.

Problem 3: Verbrauchsprognose und Rabatt zu niedrig

Vereinfacht gesagt sollen die Preisbremsen für die Energiemenge gelten, die in den Vorjahren verbraucht wurde. Ausschlaggebend für die Berechnung ist die sogenannte Jahresverbrauchsprognose, die laut Gesetz auf dem bisherigen Jahresverbrauch basiert. Ist die Prognose falsch und fällt zu niedrig aus, ist auch der Preisbremsenrabatt zu niedrig.

Verbraucher sollten prüfen, ob für die Preisbremsen ein ähnlicher Verbrauch angenommen wurde wie der, der auf der letzten Jahresabrechnung steht. Bei deutlichen Abweichungen sollte man widersprechen. Laut der Strom- und Gasnetzzugangsverordnung (§ 13 StromNZV; § 24 GasNZV) ist eine Anpassung der Jahresverbrauchsprognose möglich.

Einige Energieanbieter behaupten dagegen, eine Korrektur der Prognose sei nicht möglich. Unter anderem Vattenfall hat auf Finanztip-Nachfrage das Gegenteil eingeräumt. Zudem sind Energieanbieter und Netzbetreiber gemeinsam verpflichtet, neue Wärmepumpen oder Ladestationen für E-Autos, die viel Strom verbrauchen, in der Verbrauchsprognose sofort zu berücksichtigen.

Musterbriefe unterstützen bei der Verbraucherbeschwerde

Für alle drei Probleme empfiehlt Finanztip Betroffenen, zuerst offiziell Verbraucherbeschwerde beim Anbieter einzureichen. Besonders einfach geht das mithilfe der Musterschreiben, welche der Geldratgeber für Preisbremsenprobleme zum Download anbietet.

Löst der Versorger das Problem nicht innerhalb von vier Wochen, liefert keine plausible Erklärung oder antwortet gar nicht, kann bei der Schlichtungsstelle Energie kostenlos ein Schlichtungsverfahren eröffnet werden.

Finanztip kennt mehrere Fälle, bei denen dieses Vorgehen zum Erfolg geführt hat. Wer kann, sollte zudem möglichst schnell in einen günstigen und verbraucherfreundlichen Vertrag wechseln, etwa mit dem Stromvergleich und Gasvergleich von Finanztip (enthält Werbelinks). Das spart neben Ärger auch eine Menge Geld.

Dieser Beitrag erscheint in Kooperation mit finanztip.de. Der Geld-Ratgeber für Verbraucher ist Teil der Finanztip-Stiftung.