Berlin (dpa/tmn). Haben Sie schon einmal mit dem Gedanken gespielt, allein zu verreisen? Für die eigene Persönlichkeit kann das viel bringen, sagt eine Psychologin. Doch es lauern auch Hürden.

Niemand, der einem reinredet. Die Tagesabläufe selbst bestimmen - wohin man fährt, wann man isst und was man sich ansieht. Einfach mal Ruhe haben. Zu sich selbst finden.

Es gibt eine Menge Gründe für das Alleinreisen. Einer weiterer gewichtiger: Für die Persönlichkeitsentwicklung kann ein Solo-Trip viel bringen, sagt die Psychologin Sarah Lisa Bredero. Im Interview beschreibt sie aber auch die Herausforderungen.

Frau Bredero, welche Probleme können auftreten, wenn man allein reist?

Sarah Lisa Bredero: Die größte Herausforderung auf Reisen sind neue Kulturen und neue Erfahrungen - also ungewohnte Situationen, die einem begegnen und für die man selbst noch kein Konzept erstellt hat.

In unserem gewohnten Umfeld, in unserem eigenen Kulturkreis wissen wir, wie andere Menschen höchstwahrscheinlich reagieren. Und das berechnen wir ein in unser Handeln. Das macht unser Hirn automatisch. Aber in neuen Kulturen ist das nicht so einfach möglich, weil dort zum Teil ganz anders auf unsere Verhaltensweisen reagiert wird.

Zum Beispiel können die Menschen uns körperlich viel näher kommen, als wir es gewöhnt sind. Oder sie sind viel offener und stellen - in unserem Verständnis - sehr persönliche Fragen, die bei ihnen einfach zum normalen Alltag gehören. Die interkulturelle Kommunikation ist also oft ein Thema.

Haben es Alleinreisende damit schwerer, weil sie keinen - in Anführungszeichen - Verbündeten haben, mit dem sie sich gemeinsam auf das Neue einstellen können?

Bredero: Weniger Rückhalt zu haben, ist einer der Gründe. Wenn man mit jemand anderem zusammen reist, dann ist da noch jemand, der die eigenen Erfahrungen, den eigenen kulturellen Hintergrund teilt. Und das andere ist, dass wir uns darüber austauschen können, was wir gerade mit allen Sinnen an Neuem erleben - und dass da noch jemand ist, der einen vielleicht auch mal emotional auffängt.

In neue Länder zu reisen und die Erfahrungen, die man vor Ort dann macht - das kann sehr überwältigend sein. Und dann haben wir jemanden, der nachvollziehen kann, wie es einem gerade geht, gegebenenfalls in den Arm nimmt und einen ermutigen kann. Aber eben auch jemand, der mit einem lacht und gerade ähnliche Erfahrungen macht, wie man selbst.

Das ist auch nach der Rückkehr nach Hause ein wichtiger Faktor, dass als Alleinreisender niemand im nahen Umfeld die gleiche Erfahrung gemacht hat. Wobei darüber dann ja auch ein spannender Austausch stattfinden kann.

Würden Sie auf der anderen Seite aber auch sagen: Es kann gut sein für die eigene Persönlichkeit, allein zu reisen?

Bredero: Auf jeden Fall, das würde ich unterschreiben. Es kann für jeden Menschen und für seine Persönlichkeitsentwicklung gut sein, weil man mit ganz neuen Themen konfrontiert wird, man seinen Horizont unglaublich erweitert und viel über die eigene Selbstwirksamkeit lernt. Man entdeckt noch einmal neue Fähigkeiten und Fertigkeiten in sich. Wir entwickeln andere Kompetenzen und merken, dass wir auch mit ganz neuen Situationen umgehen können. Das ist spannend. Von daher: Auf jeden Fall ist das persönlichkeitsentwickelnd.

Und: Man lernt als Alleinreisende viel schneller Menschen kennen, die aus dem Land und der Kultur kommen. Dabei kommt es natürlich auch auf die Körpersprache an: Wenn man die ganze Zeit nur mit gesenktem Kopf durch den Tag läuft, wird man eher nicht angesprochen. Aber wenn man eine offene Körpersprache hat, andere Menschen auch mal anlächelt, aufmerksam durch die Gegend guckt und nicht nur aufs Smartphone - dann treten andere viel schneller mit einem in Kontakt.

ZUR PERSON: Die Dipl.-Psychologin Sarah Lisa Bredero lebt seit rund 15 Jahren mehrheitlich im Ausland, aktuell auf Bali. Sie berät online Expats, Digitale Nomaden und auch Reisende - ihr Spezialgebiet ist interkulturelle Kommunikation. Bredero ist Mitglied im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen.