Erfurt. Am 20. Juli ist gegen 18.30 Uhr ein Mann aus Algerien im Helios-Klinikum in Erfurt gestorben. 25 Stunden vor seinem Tod war er von der Bundespolizei festgenommen worden.

Die Ermittlungen zum Tod eines 32-jährigen Mannes nach seiner Festnahme durch die Bundespolizei in Erfurt dauern an. Das sagte am Dienstag ein Sprecher der Staatsanwaltschaft dieser Zeitung. Erste Ergebnisse der histologischen Untersuchungen des Toten würden vorliegen. Es seien aber noch weitere Gutachten und Blutuntersuchungen wie das Auswerten einer Haarprobe angeordnete worden. Erst nach Abschluss aller Tests soll über die Ergebnisse informiert werden, so der Behördensprecher.

Am 20. Juli ist gegen 18.30 Uhr ein Mann aus Algerien im Helios-Klinikum in Erfurt gestorben. In der Nacht zuvor war er nach einem Notarzteinsatz eingeliefert worden. Der 32-Jährige musste am zeitigen Samstagmorgen in einer Zelle der Bundespolizei am Erfurter Hauptbahnhof reanimiert werden. 25 Stunden vor seinem Tod war er festgenommen worden.

„Freiheitsberaubung“ und „unterlassene Hilfeleistung“

Es sei ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet worden, teilte damals die Staatsanwaltschaft Erfurt mit. Die Kriminalpolizei habe die Ermittlungen übernommen. Es gebe keinen Anfangsverdacht für eine Straftat, hieß es damals. Das sei auch derzeit Stand des Verfahrens, bestätigt am Dienstag der Behördensprecher. Damit liegen auch weiterhin keine strafrechtlich relevanten Vorwürfe gegen Beamtinnen und Beamte der Bundespolizei vor. Sollte sich doch noch ein Verdacht auf eine Straftat ergeben, werde ein Strafverfahren eingeleitet, hatte damals die Staatsanwaltschaft erklärt.

Die Linke-Fraktion im Landtag spricht nach Bekanntwerden des Falls von möglicher „unterlassener Hilfeleistung“ und möglicher „Freiheitsberaubung“, die als Straftaten infrage kommen könnten. Die Flüchtlingspolitikern Sabine Berninger fordert Aufklärung darüber, ob der Verdächtige über seine Rechte und die ihm vorgeworfenen Straftaten belehrt wurde und ob er gefragt wurde, welche Medikamente er einnehmen müsse. Sie fragte auch nach, ob ein Dolmetscher anwesend war, so dass der Verdächtige Fragen und Belehrungen verstehen konnte.

Der Koalitionsarbeitskreis „Migration, Justiz und Verbraucherschutz“ der rot-rot-grünen Regierungsmehrheit werde in der kommenden Woche beraten, kündigte die Linken-Politikern am Dienstag gegenüber dieser Zeitung an. Dabei soll auch einen Antrag beschlossen werden, wonach sich der Justizausschuss des Landtags mit dem Fall zu befassen habe.

Bundespolizisten in der Erfurter Bahnhofstraße beobachten Diebstahl

Am 19. Juli beobachten am Nachmittag Bundespolizisten in der Erfurter Bahnhofstraße den Diebstahl eines Rucksacks. Sie erwischen einen 32-jährigen Mann auf frischer Tat und bringen ihn in die Dienststelle am Hauptbahnhof.

Den Beamten fällt der verwirrt wirkende Zustand des Festgenommenen auf. Zudem finden sie bei ihm „ größere Mengen Drogenersatzmedikamente“, wie die Staatsanwaltschaft informierte. Deshalb wird ein Notarzt gerufen, um den Gesundheitszustand des Verdächtigen zu untersuchen.

Während dieser Untersuchung ergibt die Überprüfung durch die Beamten, dass dem Mann gültigen Einreisepapiere fehlen. Er hält sich offenbar illegal in Deutschland auf. Damit besteht der Verdacht der illegalen Einreise. Die Bundespolizei leitet ein Ermittlungsverfahren ein. Auch wegen des Diebstahls wird gegen den 32-Jährigen ermittelt.

Gegen 21.15 Uhr bescheinigt der Notarzt die „Gewahrsamstauglichkeit“ des Verdächtigen. Gegen 22 Uhr beginnt seine Vernehmung. Diese gestaltet sich schwierig. Der Mann spricht Französisch. Auch macht er laut Staatsanwaltschaft „zum Teil zusammenhanglose Angaben und schlief wiederholt ein“.

Zwanzig Minuten später beenden die Polizisten ihre Befragung. Die Erfurter Staatsanwaltschaft lehnt ein beschleunigtes Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten ab und weist seine Haftentlassung an.

Weil der 32-Jährige aber erneut eingenickt sein soll, entscheiden die Polizisten, ihn in der Zelle schlafen zu lassen. Hinter dieser Entscheidung vermutet Sabine Berninger die mögliche Freiheitsberaubung.

Dauer der Todesermittlungen unklar

Knapp fünf Stunden später, gegen 3.15 Uhr, bemerken Beamte, dass es keine Lebenszeichen des Verdächtigen mehr gibt. Bis dahin soll der Mann immer wieder leicht geschnarcht haben. Erneut wird ein Notarzt gerufen. Polizisten beginnen laut Staatsanwaltschaft mit seiner Wiederbelebung.

Es kommt derselbe Notarzt, der dem 32-Jährigen Stunden zuvor die Gewahrsamstauglichkeit bescheinigt hatte. Nach der Reanimation wird der 32-Jährige ins Helios-Klinikum eingeliefert, wo er Samstagabend stirbt.

Wie lange die Todesermittlungen andauern, könnte der Sprecher der Staatsanwaltschaft nicht sagen. Bei der Obduktion wurde die Todesursache nicht geklärt. Die Suche konzentriert sich nun auch auf die Wirkung von Drogen und Medikamenten.

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