Erfurt/Jena. Im Januar diesen Jahres war ein 76-jähriger Verdächtiger im Fall Ramona festgenommen worden. Nun wird er aus der U-Haft entlassen. Das Gericht rügt angewandte Ermittlungsmethoden.

Der mutmaßliche Täter im Fall der 1996 ermordeten Ramona Kraus aus Jena ist aus der Untersuchungshaft entlassen worden.

Der Sprecher des Oberlandesgerichtes Jena, Jan Boller, sagte, dass gegen den Mann nach einer Haftprüfung kein dringender Tatverdacht mehr bestehe. Objektive Spuren lägen nicht vor, auch kein Geständnis. Die in einem konstruierten Täuschungsmanöver gesammelten Beweise seien nicht verwertbar.

Das zehnjährige Mädchen war 1996 auf dem Weg von der Schule zu ihrem Elternhaus in Jena-Winzerla verschwunden. Seine Leiche wurde 1997 im Wartburgkreis entdeckt. Der Tatverdächtige geriet schon in den 1990er-Jahren in den Fokus der Polizei. Wegen sexuellen Missbrauchs anderer Kinder saß er viele Jahre in Haft und anschließender Sicherungsverwahrung, die später zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Aufwendig konstruiertes Täuschungsmanöver

Nach Informationen unserer Zeitung hatte die Polizei im vorigen Jahr mehrere verdeckte Ermittler auf den Tatverdächtigen angesetzt.

Sie freundeten sich in einer Kleingartenanlage mit dem Mann an, nachdem sie ihn über eine Fremdenlegion-Flagge und der vermeintlich gemeinsamen Vergangenheit in der Organisation gelockt hatten. Sie versuchten auf verschiedenen Wegen, Informationen zum Fall Ramona zu gewinnen. Unter anderem steuerte die Polizei eine Pressemeldung gezielt. Ein Radiosender vermeldete die Festnahme eines Tatverdächtigen im Fall Kraus. Als diese Nachricht im Radio lief, wollten die Polizisten die Reaktionen darauf checken. Der zuvor redselige Verdächtige wurde zwar still, sprach aber nicht darüber.

Die verdeckten Ermittler spielten vor, zu einem internationalen Kinderporno-Ring zu gehören und boten ihm an, Mädchen im Wohnmobil von Tschechien nach Holland zu überführen.

Erkenntnisse unterliegen einem Beweisverwertungsverbot

Die vermeintlichen Bandenmitglieder lancierten, dass sie von einem Haftbefehl wegen Mordes gegen ihn erfahren hätten. Die Organisation habe daher vorgeschlagen, einen todkranken Menschen dafür verantwortlich zu machen. Der an Krebs erkrankte würde ins Gefängnis gehen.

Nur müsse dieser so genau wie möglich wissen, wie sich die Tat zugetragen habe, damit er ein glaubwürdiges Geständnis ablegen könne. Gemeinsam fuhren die Ermittler mit dem Tatverdächtigen an den vermeintlichen Tatort, filmten dort Details der Fesselung. Die Ermittler sahen darin eindeutige Beweise, den Richtigen im Visier zu haben – im Januar klickten die Handschellen beim 76-Jährigen, der in Untersuchungshaft kam.

Laut Oberlandesgericht hatten die verdeckten Ermittler dem Beschuldigten eine ihre Befugnisse überschreitende „Falle“ gestellt. Sämtliche so gewonnene Erkenntnisse unterlägen einem Beweisverwertungsverbot.

Ehemaliger Fremdenlegionär stammt ursprünglich aus Jena

Ende Januar dieses Jahres war der 76-Jährige in Erfurt festgenommen worden. Bisher hat er zu den Vorwürfen geschwiegen. Der ehemalige Fremdenlegionär stammt ursprünglich aus Jena. Er war 1965 in den Westen geflohen. Seitdem hatte er mehrfach immer wieder in Gefängnissen gesessen. Darunter auch wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern.

Zuletzt war er 1999 in Schweinfurt wegen einer solchen Tat verurteilt worden. Bereits im Dezember 2018 hatten die Beamten der Soko „Altfälle“ einen Tatverdächtigen im Mordfall Ramona Kraus festgenommen. Bei ihm hatte sich allerdings nach einigen Wochen herausgestellt, dass er mit diesem Mord nichts zu tun hat. Er sitzt wegen anderer Straftaten weiter in Haft.

Ramona Kraus war im August 1996 in Jena vermisst gemeldet worden. Ein halbes Jahr später, im Januar 1997, wurde ihre Leiche in einem Wald bei Eisenach gefunden. Zur Aufklärung dieses Mordes und zweier weiterer Fälle mit vermissten Kindern aus den 1990er Jahren hatte die Polizei Jena die Sonderkommission „Altfälle“ gegründet.

Die Soko konnte dann im März vergangenen Jahres ihren ersten Erfolg vermelden. Die Beamten nahmen den mutmaßlichen Mörder der 1991 getöteten Stephanie Drews fest. Er wurde vom Landgericht Gera Ende November 2018 zu lebenslanger Haft verurteilt. Bisher noch keinen Durchbruch gibt es im Fall des 1993 in Jena ermordeten Bernd Beckmann. Der Neunjährige wurde damals am Saaleufer erdrosselt gefunden. Trotz intensiver Ermittlungen konnte bisher kein Tatverdächtiger gefunden werden.

23 Jahre nach Mord an Ramona: Verdächtiger in Erfurt festgenommen