Wie man auch ohne haushohes Ego Karriere machen kann und etwas für die Ewigkeit hinterlässt. Christian Werner über das Album „The Man who“ der Band Travis.

Die unsichtbare Band hat die schottische Band Travis den Nachfolger ihres Albums genannt, um den es in dieser Folge geht. Die Band die man nicht kennt, nicht sieht, die hinter der Musik (beinahe) verschwindet. Weil die Musik für sich spricht. Das Cover von „The invisible Band“ geriet folgerichtig zum Finde-die-Musiker-Suchbild. Aber schon im Jahr 1999 auf „The Man who“ war das Gruppenfoto nicht angelegt, um Pop-Ikonen zu schaffen.

Nun könnte man vermuten, dass mit diesem Kunstansatz ein bewusst unscheinbar agierendes Musikerkollektiv in Zeiten abgesagter Großveranstaltungen wie Konzerte weniger Probleme hätte als andere. Das wäre thematisch zwar ein passender Einstieg für diesen Text, bleibt aber theoretischer Natur.

Gehen wir lieber über eine andere Brücke, die „The Man who“ zur aktuellen Welt- wie auch Wohnzimmerlage schlägt. „Writing to reach you“ hieß die erste Single des Albums, bedient die gleichen Akkorde wie „Wonderwall“ von Oasis, ist aber nebenbei bemerkt einer der fragilsten, sehnsuchtsvollsten Songs die Sänger Fran Healy verfasst hat. Und er hat fürwahr viele davon geschrieben.

Stift und Papier in der Hand fühlen

Dieser Song zielt mit seiner simplen Aussage, jemanden auf die schreibende Art zu erreichen, auf eine fast vergessene Kulturtechnik: das Briefe schreiben, gern auch per Hand. Ja, das geht! Wenn die Corona-Krise die Zeitläufte ausbremst, kann man endlich die eigene Bude streichen – oder einen Brief verfassen.

Das Cover des Albums „The Man who“ von Travis.
Das Cover des Albums „The Man who“ von Travis. © Universal Music

Einfach mal hinsetzen, Stift und Papier in der Hand fühlen, vielleicht Fassungen verwerfen, neu anfangen. Wann haben wir uns das letzte Mal solche Mühe für einen Adressaten geschriebener Gedanken gemacht?

Nebenbei empfehlen wir „The Man who“ aufzulegen, das Album bietet neben „Why does it always rain on me“, „Driftwood“ und „Turn“ weitere Hitsingles und feingeistige Melodien zwischen Melancholie und Euphorie, die Radiohead-Produzent Nigel Godrich dezent in Szene gesetzt hat. Es ist ein Album für die eher ruhigen Stunden. (Leichtes Herzklopfen ist trotzdem nicht ausgeschlossen.)

Am besten greift man auf eine der Wiederveröffentlichungen von 2019 zurück. Die Box samt Vinyl und Live-CD war schnell vergriffen. Aber selbst mit der Doppel-CD wird aus der Momentaufnahme in Albumlänge ein abendfüllendes Vergnügen. Die Zugabe von B-Seiten auf Disc zwei sind kein Füllmaterial, sondern stützen den Status als eines der wichtigsten britischen Alben der Neunziger.

Reinhören!

Wir haben die Playlist zum Krisen-Modus. Hören Sie unsere Auswahl an Songs für die Heimarbeit, zur Kurzweil oder für andere Ablenkungen in Selbstquarantäne. Die Titel werden mit jeder neuen Folge unserer Kolumne erweitert. Und hier erfahren Sie, warum die Songs ausgewählt wurden.

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