Berlin. Mit dem Song „Deutschland“ haben die Musiker von Rammstein auf vielen Ebenen provoziert. Nun gibt es Vorwürfe, die Band habe Teile des Sounds gestohlen.

Mit ihrem Video zu der Single „Deutschland“ haben sich Rammstein nach zehn Jahren ohne neue Musik zurückgemeldet – und wie: Das Video, indem die Bandmitglieder um Sänger Till Lindemann unter anderem in KZ-Kleidung zu sehen sind, löste eine Kontroverse aus. Der Skandal war zu erwarten, ist die Gruppe doch für ihre provozierenden und polarisierenden Auftritte bekannt. Inzwischen gibt es aber auch nicht zu erwartende Vorwürfe: Haben Rammstein Teile des Songs geklaut?

Die britische Sängerin Anne Clark bedankte sich bei Facebook bei der deutschen Band. Es sei „nett zu hören, dass David Harrow und ich mit unserer kleinen Nummer Rammstein beeinflusst haben.“ Tatsächlich klingen die Synthesizer im neuen Song stark nach Clarks Produktion „Our Darkness“.

Provokation mit KZ-Uniformen

In dem neun Minuten langen Video provoziert die Band um Till Lindemann mit Anspielungen aus der Nazi-Zeit und dem Konzentrationslager. Mittlerweile hat es bei Youtube fast 18 Millionen Aufrufe. Dabei hängen sie in KZ-Uniformen am Galgen – die Szenen sind erst am Ende des Videos zu sehen. Das NS-Motiv ist allerdings nur eins von vielen.

Auch internationale Medien berichten darüber. Im Ausland kann man den Wirbel in Deutschland aber nicht verstehen. Ein Autor merkt an, lieber auf die Interpretation des Songtextes zu schauen. Dieser hat bei vielen beim ersten Hören einen Schockmoment ausgelöst: Lindemann singt „Deutschland, Deutschland über allen“ – in Anlehnung an die erste Strophe der „Lied der Deutschen“ – die dritte Strophe ist die Nationalhymne.

In der ersten, seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gesungenen Strophe heißt es allerdings „über alles“. Ein gezieltes Spiel mit Worten – dass in das Gesamtkonzept Deutschland-Kritik und Provokation passt.

Schwarze Frau als Germania

Die Römer-Zeit, das frühe 20. Jahrhundert und auch die DDR kommen in dem Clip genauso vor. Die einzigen verbindenden Elemente: die Band und Darstellerin Ruby Commey als „Germania“. Die Aussage des Refrains: „Deutschland, mein Herz in Flammen, will dich lieben und verdammen.“ Dazu gibt es ordentlich Bass und die typisch breiten Rammstein-Gitarren.

Die Berliner Schauspielerin Ruby Commey ist dabei die zentrale Figur, sie spielt die „Germania“ – und ist schwarz. Sie kämpft als Germanin im Teutoburger Wald, steckt in Ordensritterrüstung, zieht die Fäden im Stasi-Quartier, mimt die eiskalte SS-Schergin. Um Germania herum toben von Testosteron, Verzweiflung und Gewalt getriebene Männer, meist die sechs Rammstein-Mitglieder, im Parforceritt durch Jahrtausende deutscher Geschichte.

Das Cover der Single „Deutschland“ sorgt ebenfalls für Kritik. Foto: dpa
Das Cover der Single „Deutschland“ sorgt ebenfalls für Kritik. Foto: dpa © zgt

Sängerin Anne Clark: „Deutschland“ klingt nach ihrem Song

Aber es gibt auch Diskussionen auf musikalischer Ebene. Die britische Sängerin Anne Clark sieht „Deutschland“ als zumindest inspiriert von einem ihrer Songs – „Our Darkness“ klingt tatsächlich sehr ähnlich. Der treibende Synthesizer und der Beat – zufällig so nah beieinander?

Ein Benutzer kommentierte unter Clarks Post, sie solle Rammstein verklagen. Sie antwortete bereits: „Mal sehen, was mein Verlag dazu sagt.“ Sie setzte ein Smiley dahinter – angesichts des großen Erfolgs Rammsteins und dem damit verbundenen Geld dürfte es für Clark und ihren Produzenten Harrow aber sicher eine Option sein, juristisch klären zu lassen, ob Rammstein geklaut haben.

Band in KZ-Gedenkstätte eingeladen

Die Single gilt als Vorbote für das neue Album, das am 17. Mai erscheinen soll. Der Name: schlicht „Rammstein“. Der Zentralrat der Juden regierte entsetzt, auch der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung äußerte sich – zudem gab es eine Einladung in die Gedenkstätte Dachau.

Dass es sich bei „Deutschland“ um den Titel der neuen Single handelt, war zunächst unklar. Die Band nutzte seit Tagen auch den Hashtag #duhastvielgeweint für den Countdown zur Video-Premiere – nun ist klar: „Du hast viel geweint“ ist die erste Zeile des Songs.

Lied auch als Vinyl erhältlich

Elf Songs wird das neue Album haben. Die Titel sind bis auf „Deutschland“ noch unbekannt. Bei mehreren Händlern ist ab jetzt eine Vorbestellung möglich. „Deutschland“ ist auch als Vinyl erhältlich.

Der Videomacher Specter (drehte zuletzt unter anderem mit dem Rapper Marteria) ist bekannt für diese aufwändige Optik. Er hatte auf Instagram bereits vor einigen Tagen ein Foto mit dem Rammstein-Logo veröffentlicht. Neben dem Schriftzug „Deutschland“ ist darauf auch ein Datum in lateinischen Zahlen genannt: XXVIII.III.MMXIX. Übersetzt: 28. März 2019.

Internationale Reaktionen auf das Rammstein-Video

  • Die „Tiroler Tageszeitung“ aus Österreich schreibt: „Eines ist zumindest klar: Song und Video sind keine unkritische Liebeserklärung an das besungene „Deutschland“. Ob die KZ-Szene in dem Zusammenhang künstlerisch gerechtfertigt oder eben doch einfach nur geschmacklos ist, dürfte – wie so oft bei Rammstein – weiterhin die Geister scheiden. Das Ziel, Aufmerksamkeit zu generieren, hat die Band damit jedoch auf jeden Fall erreicht.
  • „Was ist das Problem mit diesem Video? Vielleicht sollten Sie sich besser fragen, was nicht das Problem ist“, erklärte Kasper Hermans, Chefredakteur der niederländischen Musikplattform Nieuweplaat, der niederländischen Zeitung Metro. „Dass es Holocaust-Hinweise gibt – wie seltsam es klingen mag – ist in gewisser Hinsicht am wenigsten sensationell.“

Interpretation von „Deutschland“ ist wichtiger

Der Musikredakteur Pierre Oitmann von der niederländischen Zeitung Metro findet den Clip nicht überraschend. „Wenn Sie Rammstein gut kennen und wissen, was sie tun, wird Sie das wahrscheinlich nicht einmal schockieren. Ich verstehe, dass Sie, wenn dies der erste Clip ist, den Sie von der Band sehen, geschockt sind.“

Oitmann empfiehlt, dass sich die Leute auf den Text konzentrieren. „In dem Text singen sie, dass sie gemischte Gefühle zur deutschen Geschichte haben. Rammstein betrachten die eigene Geschichte im Lied kritisch.“ Oitmann glaubt, dass ein solcher Clip möglich sein sollte.

„Das Video ist ein Ausdruck von Kunst und Kultur. Im Zusammenhang mit dem Lied finde ich diese Bilder sehr verständlich.“ Der Journalist findet nicht, dass das Leiden der getöteten Juden verspottet wird. „Es ist gut zu zeigen, dass die relativ junge Geschichte Teil eines Landes ist.“

Tour 2019: Konzerte ausverkauft

Rammstein hatte im November das erste Mal nach über zehn Jahren ein neues Album angekündigt. „Liebe ist für alle da“ erschien 2009. Die zum gleichen Zeitpunkt angekündigte Rammstein-Tour war binnen kürzester Zeit ausverkauft.