Wenn der Sohn einer Folk-Legende mit dem Songschreiber aus dem Osten tourt. Christian Werner über das Album „Every 100 Years – Live auf der Wartburg“ von Arlo Guthrie und Wenzel.
Es war kein historischer, aber ein spezieller Moment, der Abend des 19. September 2006 über den Dächern Eisenachs. Kein Sängerkrieg, ein Sängertreffen, und die zwei, die sich dort trafen, prallten nicht auf-, sie fanden zueinander.
Der eine, Arlo Guthrie, kam von drüben, aus der Neuen Welt, spielte schon bei Woodstock und im Film „Alice’s Restaurant“, sein Vater war die Folklegende Woody Guthrie. Der andere, Hans-Eckardt Wenzel, nur acht Jahre jünger, ist in der DDR aufgewachsen und hat die ersten Karrierejahre dort erlebt.
Über den berühmten Vater kamen die beiden Musiker zusammen. Wenzel nahm im Jahr 2003 ein Album auf mit Songs, deren teils unveröffentlichte Texte er im reichhaltigen Woody-Guthrie-Archiv in New York fand und ins Deutsche übertrug. Guthries Tochter Nora persönlich hatte ihn dazu eingeladen.
Ein langer Weg bis zum Konzert
Bei einem Auftritt in Nashville traf er ein Jahr später auf ihren Bruder Arlo, die Idee einer gemeinsamen Tournee war schnell geboren. „Together“ (Zusammen) hieß diese, das Abschlusskonzert auf der Wartburg wurde aber erst vier Jahre später, 2010, veröffentlicht mit dem Titel „Every 100 Years – Live auf der Wartburg“.
Es war also ein langer Weg von den Textskizzen Guthrie seniors bis nach Eisenach. Ein Reise voller fremder Erinnerungen, Emotionen und Lebenserfahrungen, kumuliert in einem dezenten, unaufgeregten Konzertmitschnitt, der nie über die Stränge schlägt, und einzig durch die Kraft der Lieder berühren will.
Die Aufnahme beginnt atmosphärisch etwas hölzern, ohne Vorschuss-Applaus, ohne Prolog – es geht einfach los. Die Stimmung wird lockerer, spätestens nach „Ridin’ down the Canyon“ als Arlo Guthrie sich mit seiner derben Stimme diebisch freut: Er habe diesen alten Cowboysong in dieser Halle einfach spielen müssen.
Musiker spielen ein zurückhaltendes Set
Ansonsten bleibt es intim, die Musiker und ihre versierten Begleiter spielen ein zurückhaltendes Set, in dem sie sich nie im Wege stehen. Sie singen Lieder aus ihrem Solo-Repertoire und einige von Wenzels Guthrie-Songs als deutsch-englische Duette oder in zwei Versionen hintereinander. Alles fügt sich ineinander, ohne erkennbare Dramatik, ohne Aufgeregtheiten. Hier wird einfach Musik gemacht, weil man es kann und will.
Es ist der gelungene Abschluss eines Experimentes, das später eine kurze Fortsetzung fand, auch in Eisenach. Zwei Musiker, aus dem gleichen Kulturkreis zwar, dazwischen aber liegen Welten. Irgendwie ist das auch eine Art Weltmusik.
Reinhören!
Wir haben die Playlist zum Krisen-Modus. Hören Sie unsere Auswahl an Songs für die Heimarbeit, zur Kurzweil oder für andere Ablenkungen in Selbstquarantäne. Die Titel werden mit jeder neuen Folge unserer Kolumne erweitert. Und hier erfahren Sie, warum die Songs ausgewählt wurden.