Wenn es sich nicht richtig anfühlt, aber trotzdem gut klingt. Christian Werner über das Album „Landing on Water“ von Neil Young.

Wenn ein Flugzeug auf dem Wasser landen muss, ist das selten angenehm. Notwassern nennt man das im Fachjargon. Eigentlich sind Flugzeuge dafür gebaut, um auf Landebahnen zu landen. Wie der Name schon sagt: Landebahn.

Ein Flugzeug auf dem Wasser? Das fühlt sich selbst geschrieben oder gesprochen nicht richtig an. Also ähnlich dem Alltag im Corona-Modus: das Leben passiert zwischen vier Wänden, also irgendwie; die sozialen Interaktionen sind auf dem Tiefpunkt oder beschränken sich auf Bildschirmzeit. Normal geht anders.

Anders fühlte und hörte sich auch Mitte der achtziger Jahre der neueste Haken an, den Neil Young musikalisch schlug. Vermutlich hat er deshalb das Album „Landing on Water“ (Landung auf dem Wasser) genannt. Ob er sich bei dem Experiment in LP-Form wackelig fühlte, ist nicht überliefert. Aber er betrat unbekanntes Terrain: Eine Produktion, die sich der synthetisch geprägten Klanglandschaft des Jahrzehnts annäherte mit Synthesizerflächen nicht zu knapp und verfremdeten Drumsounds.

Chartstaugliche Klänge in Young-Liedern

Das Cover des Neil-Young-Albums „Landing in Water“.
Das Cover des Neil-Young-Albums „Landing in Water“. © Geffen/Universal

Natürlich gibt es auch E-Gitarren, die aber – ebenfalls typisch für die Achtziger – den Sound nicht prägen. Das ist zudem alles weit weg von den Country- und Folkweisen, mit denen Young in den Sechzigern und Siebzigern immer wieder reüssierte. Wenn, ja wenn nicht die Melodien wären.

Und auf die kann sich Young in seiner angeblich nie versiegenden Kreativität verlassen. Die Songs stammen wohl von missglückten Sessions mit seiner Stromgitarren-Combo Crazy Horse. Es hat Charme, wenn er versucht chartstaugliche Klänge in seine Kompositionen zu integrieren. Vieles atmet den Vintagesound des Unfertigen. Und in „Violent Side“ gibt er gar den Peter Gabriel mit Chor.

Die Achtziger waren in weiten Strecken schwierig für Young. Seine Plattenfirma verklagte ihn gar auf Schadenersatz in Millionenhöhe wegen unkommerzieller Kunst. Heute hingegen horchen zu recht nicht nur Fans auf, wenn es um vermeintlich missglückte Alben des alten Grantlers geht. Was seinerzeit wie ein Irrweg wirkte, gilt nun als hippes Experimentieren und wird fast kultig verehrt.

„Landing on Water“ (1986) wie das von elektronischen Einflüssen geprägte Album „Trans“ (1982) erzählen kommerziell keine Erfolgsgeschichten. Und doch kann man etwas lernen. Wenn sich die Welt verändert – und das tut sie heute bekanntlich schneller – ist das eine Chance, viel betretene Pfade zu verlassen.

Reinhören!

Wir haben die Playlist zum Krisen-Modus. Hören Sie unsere Auswahl an Songs für die Heimarbeit, zur Kurzweil oder für andere Ablenkungen in Selbstquarantäne. Die Titel werden mit jeder neuen Folge unserer Kolumne erweitert. Und hier erfahren Sie, warum die Songs ausgewählt wurden.

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