Erfurt. Angriffe oder Übergriffe auf Sanitäter, Notärzte und Co. sind nicht neu. Inzwischen werden Schulungen zur Deeskalation oder zur Selbstverteidigung angeboten - doch die werden nicht überall gleich genutzt.

Um zivile Helferinnen und Helfer auf mögliche Übergriffe während ihrer Einsätze vorzubereiten, setzen verschiedene Organisationen in Thüringen auf Seminare, in denen Strategien zur Deeskalation gelernt werden. Für Notärzte und Notärztinnen würden teilweise auch Selbstverteidigungsseminare angeboten, sagte ein Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen (KVT) in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur. Hierbei auf externe Partner zurückzugreifen, habe sich bewährt. Auch für andere Angehörige des Rettungsdienstes wie etwa Notfallsanitäterinnen und -sanitäter gebe es vergleichbare Angebote unterschiedlicher Organisationen.

Nach Zahlen des Thüringer Innenministeriums kommt es im Freistaat seit Langem immer wieder zu Angriffen auf Rettungskräfte. Die Zahlen schwanken von Jahr zu Jahr leicht und waren zuletzt – mutmaßlich auch wegen der Corona-Lockdowns im vergangenen Jahr – leicht rückläufig. So registrierte das Innenministerium nach Angaben eines Sprechers zwischen 2015 und 2020 jedes Jahr etwa 50 bis 70 Angriffe auf Medizinerinnen und Mediziner, Feuerwehrleute und ähnliche Rettungskräfte. Das ergibt im Schnitt mindestens einen Angriff pro Woche.

Angriffe kommen vor allem in größeren Städten vor

Besonders viele Fälle verzeichnet die Statistik für 2017 und 2018. Damals waren 70 beziehungsweise 71 Übergriffe erfasst worden. Darunter vor allem Körperverletzungen, aber auch Bedrohungen und Beleidigungen. Die tatsächliche Summe der jährlichen Übergriffe dürfte weit über diesen Zahlen liegen. Aus Rettungsdienst-Kreisen heißt es, es sei schlicht nicht möglich, jede Beleidigung oder Bedrohung, der man sich im täglichen Einsatz ausgesetzt sieht, zu melden und anzuzeigen. Solche Übergriffe kämen in Thüringen mindestens einmal die Woche vor, eher öfter.

Ein Sprecher des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) Thüringen sagte, derartige Angriffe kämen nach den Erfahrungen der Helferinnen und Helfer dieser Organisation in Thüringen vor allem in den größeren Städten wie Erfurt, Jena und Gera vor. Vor allem, wenn alkoholisierte Menschen in irgendeiner Art von den Einsätzen betroffen seien, geschehe dies zwar auch hin und wieder in den ländlichen Regionen. Allerdings sei das Risiko für die Helfer in den Städten erkennbar höher. Gleichzeitig dürfe das Problem nicht überdramatisiert werden. Das, was Rettungskräfte in Thüringen an Anfeindungen erlebten, sei nicht zu vergleichen mit dem Rettungsalltag in deutschen Metropolregionen wie Berlin.

Entsprechend der höheren Gefährdungslage in den Städten gebe es unter den Rettungskräften dort auch ein höheres Interesse an Seminaren zum Umgang mit solchen Situationen, hieß es vom ASB. Solche Angebote gebe es über eine ASB-eigene Einrichtung, die nach dem bisherigen Stand der Dinge den Bedarf abdecke, sagte der Sprecher.

Kassenärztliche Vereinigung fordert größeres Bewusstsein für das Problem

Ein Sprecher des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Thüringen erklärte, in der Aus- und Fortbildung von Rettungskräften werde inzwischen ein stärkeres Augenmerk auf die Prävention von Situationen gelegt, in denen Angriffe vorkommen können. Zudem gebe es Deeskalationstrainings und Stressmanagement-Kurse. Wenn es zu Übergriffen komme, zeige auch hier die Praxis, dass daran vor allem alkoholisierte Menschen beteiligt seien, die verbal aggressiv würden.

Bei der Kassenärztlichen Vereinigung fordert man vor dem Hintergrund der immer wieder vorkommenden Angriffe vor allem ein größeres Bewusstsein für das Problem. Rettungskräfte engagierten sich, um das Leben anderer Menschen zu retten und würden ausgerechnet dabei angegriffen. „Das kann und darf nicht sein“, sagte der KV-Sprecher. So etwas sei schlicht nicht hinnehmbar. „Die Ärzte und Rettungsdienste arbeiten für die Menschen, nie gegen sie.“

Nach Angaben des Innenministeriums erarbeitet der Landespräventionsrat derzeit Handlungsempfehlungen, die dabei helfen sollen, die Zahl der Angriffe gegen Rettungskräfte zu minimieren.