München. Das Rammstein-Konzert in München war von einer Gegen-Demo begleitet. Rund 60 Menschen demonstrierten – und benötigten Polizeischutz.

Am Mittwoch fand das erste Rammstein-Konzert in Deutschland seit Bekanntwerden der schweren Anschuldigungen gegen den Frontmann Till Lindemann statt. Auf dem Gelände des Münchner Olympiaparks versammelten sich nicht nur Fans der Band. Etwa 60 Personen protestierten am Rande der Veranstaltung gegen den Auftritt. Trotz Anwesenheit der Polizei reagierten einige Rammstein-Fans aggressiv auf die Demonstrierenden – und feindeten die Menschen übel an.

Prosteste bei Rammstein: "Die Anfeindungen, die wir erleben, sind wahnsinnig."

"Wir wollen hier Solidarität zeigen mit Opfern sexueller Gewalt", sagt Demo-Teilnehmer Richie. Das sei auch wichtiger, als die Leute zu kritisieren, die jetzt auf das Konzert gehen, erklärt er und schwenkt dabei eine Antifa-Flagge.

Umgekehrt haben die Konzertbesucher an den Protestierenden offenbar sehr viel zu kritisieren. "Die Anfeindungen, die wir hier von manchen Leuten gehört haben, sind wirklich wahnsinnig. Sprüche wie 'nur, weil ihr nicht gefickt werdet', oder 'zu hässlich, um Groupie zu sein'. Ich habe definitiv mit Anfeindungen gerechnet, mit dem Ausmaß aber nicht ganz. Es ist wirklich Wahnsinn, wie die Menge auf diese Demo reagiert," berichtet der junge Mann weiter.

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Frauenverachtende Beleidigungen von Rammstein-Fans

Tausende Rammstein-Fans passierten die kleine, aber sehr laute Gruppe auf ihrem Weg ins Olympiastadion. Die teils stark alkoholisierten Konzertbesucher machten sich über die Protestierenden lustig, tanzten zu den gerufenen Solidaritätsbekundungen und gingen Teilnehmerinnen vereinzelt aggressiv an. Etwa 20 Polizisten vor Ort entschärften brenzlige Situationen.

An der Demonstration nahmen hauptsächlich junge Frauen teil. "Ich war zwei Minuten da, da hat mir ein Mann gesagt, ich solle ihm den Schwanz lutschen," sagt Sophie. Dabei habe er auf seinen Schritt gezeigt. Es sei "komplett widerlich", was ihr alles an den Kopf geschmissen worden sei und mit welcher "Gehässigkeit" ihnen die Leute begegnen würden.

Vereinzelt gingen Konzertbesucher aggressiv auf Protestierende los.
Vereinzelt gingen Konzertbesucher aggressiv auf Protestierende los. © dpa | Unbekannt

Die junge Frau und ihre zwei Begleiterinnen hätten zwar gehofft, dass das Konzert aufgrund der Schwere der Vorwürfe abgesagt werden würde, ihnen ging es in erster Linie um das Protestieren gegen strukturellen Machtmissbrauch. Sie seien geschockt und aufgebracht darüber, dass so viele Menschen zu dem Konzert gekommen sind.

"Ich hätte es nicht vertreten können, hierherzukommen. Selbst wenn ich Fan davon gewesen wäre", sagt eine weitere Teilnehmerin. Kunst und Künstler könne man im Lichte der aktuellen Vorwürfe gegen Lindemann nicht mehr trennen. Die Musik jetzt weiter zu hören, sei für sie "ein Unding".

Weibliche Rammstein-Fans: So reagieren sie auf die Demo

Die Mehrheit der weiblichen Rammstein-Fans ließ die Demonstration offenbar kalt – oder störte sie gar. Denn auch unter den weiblichen Konzertbesuchern gingen einige auf Protestierenden los und mussten von der Polizei zurückgehalten werden. Auf Nachfrage unserer Redaktion wollten sich kaum Konzerbesucherinnen zu der kleinen Demo äußern.

Vereinzelt beteuerten weibliche Fans, dass sie diese Demonstration nicht störe. "Solange die Anschuldigungen nicht bestätigt sind, bin ich weder auf der einen noch auf der anderen Seite. Das Konzert machen mir die Leute damit nicht madig", sagt Konzertbesucherin Marion.

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Debatte um Umgang mit Rammsein ausgelöst von Shelby Lynn

Nachdem in den vergangenen zwei Wochen zahlreiche Frauen schwere Vorwürfe von Machtmissbrauch gegen den Rammstein-Sänger Till Lindemann erhoben haben, entbrannte eine Debatte um den Umgang mit der Band und ihren bevorstehenden Konzerten. Während einige Fans auf die Unschuldsvermutung pochen, fordern andere zum Boykott auf.

Losgetreten wurde die Welle an Anschuldigungen gegen Lindemann von der Irin Shelby Lynn, die mehrere Tweets über mutmaßliche Erlebnisse in "Row Zero" bei einem Rammstein-Konzert veröffentlichte. Die 24-Jährige schildert, dass sie auf einer Pre-Party K.O.-Tropfen verabreicht bekommen haben soll.

Später soll Lindemann sie zum Sex aufgefordert haben. Lynn behauptet, dass er auf ihre Ablehnung aggressiv reagiert habe. Am nächsten Morgen sei sie mit Blutergüssen, Schmerzen und Gedächtnislücken aufgewacht. Nach Lynns öffentlichen Vorwürfen meldeten sich binnen kurzer Zeit immer mehr Frauen, die angeben, Ähnliches erlebt zu haben.