Stockholm. GPS-Tracker und Handy-Apps zur Überwachung ihrer Kinder sind bei schwedischen Eltern beliebt. Experten warnen vor solchen Methoden.

Eltern möchten jederzeit die Gewissheit haben, dass es ihrem Kind gut geht. So weit, so natürlich. In Schweden schlägt sich dieses Bedürfnis jedoch in einem ganz bestimmten Trend nieder: Immer mehr Eltern tracken ihre Kinder dort mithilfe von Ortungsgeräten. Das Unternehmen Netonnet, das solche GPS-Uhren und die dazugehörige Software vertreibt, hat in den vergangenen Jahren eine deutliche Zunahme an Verkäufen verzeichnet: Während 2019 nur rund 2000 Kunden ein Abo für Ortungssoftware abschlossen, sind es mittlerweile rund 50.000. „Wir können feststellen, dass die Nachfrage in diesem Jahr enorm gestiegen ist“, sagte Sprecherin Kristina Wärmare dem Sender SVT.

Schweden: Diese Tracking-Methoden nutzen Eltern am liebsten

Auch andere Unternehmen machen gutes Geld mit der Kinderüberwachung. Wo die Nachfrage stimmt, steigt auch das Angebot. So tracken Eltern ihre Kinder nicht mehr nur mit GPS-Uhren, sondern auch zunehmend mit Ortungs-Apps auf dem Smartphone. Die Geräte und Programme können sogar mitschneiden, was um die Kinder herum geschieht – eine Funktion, die vom Hersteller schlicht als „Abhören“ beworben wird.

Beliebt ist bei schwedischen Eltern auch das sogenannte „Geofencing“. Die Technologie ist zum Beispiel auf einer Uhr installiert und löst einen Alarm aus, wenn der Träger ein bestimmtes Gebiet verlässt. Für kleine Kinder gibt es GPS-Geräte, die in einen Rucksack gesteckt oder in eine Jacke eingenäht werden können. Eltern können dann durch das Öffnen einer App auf ihrem Smartphone sehen, wo ihr Kind ist, und es abhören. Der Tenor der GPS-Dienstleister: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

Beliebt sind bei schwedischen Eltern auch Ortungs-Apps, die sie auf den Handys ihrer Kinder installieren und über die sie sehen können, wo der Nachwuchs sich gerade auffällt.
Beliebt sind bei schwedischen Eltern auch Ortungs-Apps, die sie auf den Handys ihrer Kinder installieren und über die sie sehen können, wo der Nachwuchs sich gerade auffällt. © iStock | istock

Hierzulande sind Kinderuhren mit Abhörfunktion seit 2017 verboten. Gestattet sind dagegen Tracker, die nur der Ortung dienen und bei minderjährigen Kindern zum Einsatz kommen. Datenschützer äußern jedoch Bedenken, da die Geräte und Apps mitunter sensible Daten und Bewegungsprofile der Träger erfassen. In Schweden ist dagegen sowohl das Tracken als auch das Abhören von Kindern durch ihre Eltern erlaubt.

Schwedischer Vater: Es geht um Sicherheit, nicht um Kontrolle

Einer, der sich dafür entschieden hat, GPS-Software auf dem Mobiltelefon seines Kindes zu installieren, ist Thomas Lennholm. Wenn er die entsprechende App öffnet, kann der Schwede sehen, ob sein Sohn Marcus auch wirklich in der Schule ist. Auch kann er dessen Aufenthaltsorte der letzten 12 Stunden zurückverfolgen. „Ich will ihn auf keinen Fall kontrollieren, sondern nur wissen, wo er ist“, beteuert der Vater gegenüber dem Sender SVT.

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Marcus sei jetzt 13 – ein Alter, in dem es langsam spannend werde, in der Stadt herumzuhängen und Unfug zu treiben, so der Vater. „Mit dem GPS muss ich nicht ständig auf ihn aufpassen, sondern kann einfach nachsehen, wo er ist.“ Sein Sohn könne die App aber auch einfach ausschalten, so Lennholm. Es sei ihm wichtig, ihm Freiheiten zu lassen, für die er selbst verantwortlich ist. Marcus selbst habe nie dagegen protestiert, überwacht zu werden, vielleicht komme das ja noch.

Psychologen sehen Überwachung von Kindern kritisch

Obgleich viele schwedische Eltern gute Absichten beteuern, regt sich Kritik an ihren Methoden. Überwachungsgeräte führten dazu, dass Eltern sich in falscher Sicherheit wiegen und den Kindern zu viel örtlichen Spielraum einräumen, warnt die Kinderpsychologin Liv Svirsky: „Die Funktion besteht darin, dass Eltern sehen können, wo sich Ihr Kind aufhält und das ist die einzige Beruhigung, die sie manchmal brauchen – eine Uhr verhindert aber keine Unfälle.“

Genau wie Erwachsene hätten auch Kinder ein Recht auf ihre Privatsphäre, gibt Catarina Nilund zu bedenken. Sie arbeitet als Beraterin bei der schwedischen Kinderschutzorganisation BRIS. „Wenn ein Kind sich überwacht fühlt, könnte das zu großer Unsicherheit führen“, so die Expertin. „Es denkt, dass es vor seinen Eltern nichts falsch machen darf.“ Dabei müssten Kinder Fehler machen, um erwachsen zu werden. „Ich denke, dass Überwachung niemals der richtige Weg ist, um sein Kind im Auge zu behalten“, so Nilund. „Stattdessen sollte man eine gute Beziehung haben – und die schafft man nicht mit Technologie.“