Sydney. Eine Australierin kocht für ihre Gäste. Wenig später sind drei der Anwesenden tot. Sie wurden vergiftet. War es nur ein Versehen?

Im ersten Moment liest sich die Geschichte wie ein Krimi von Agatha Christie. Doch bisher ist nicht geklärt, ob es sich bei drei tragischen Todesfällen in Australien um einen Unfall oder ein Verbrechen handelt: Ende Juli waren zwei Paare in der kleinen Gemeinde Leongatha, zwei Autostunden südöstlich von Melbourne, bei der Ex-Schwiegertochter des einen Paares zum Mittagessen geladen. Erin P. servierte anscheinend einen Beef Wellington Pie, ein Gericht mit Rinderfilet und Champignons im Blätterteigmantel. Doch bei den Champignons scheint sie sich vergriffen zu haben. Allem Anschein nach handelte es sich nicht um die harmlose essbare Variante, sondern um eine Mischung hochgiftiger Knollenblätterpilze.

Vor diesen werden Pilzsucher in Australien regelmäßig gewarnt. Die Pilze kommen im Osten Australiens vor und können beim Sammeln – eine beliebte Freizeitbeschäftigung in der Region – leicht mit essbaren Sorten verwechselt werden. Knollenblätterpilze sind für 90 Prozent aller tödlichen Pilzvergiftungen weltweit verantwortlich. Zuerst treten Magenbeschwerden auf. Meist geht es Betroffenen dann kurzzeitig besser, bis es zu einem Rückfall kommt, bei dem die inneren Organe kollabieren und Leber und Nieren versagen. Beim Verzehr kann bereits ein kleines Stück einen Erwachsenen töten.

Pilzvergiftung: Köchin bestreitet Schuld

Ein Schicksal, das auch drei Gäste von Erin P. ereilte: Die Eltern ihres Ex-Mannes sowie die Schwester der Mutter erlagen wenige Tage nach dem gemeinsamen Essen der Vergiftung. Der vierte Gast, Ehemann der verstorbenen Schwester und Reverend im Nachbarort, schwebt nach wie vor in Lebensgefahr und benötigt eine Lebertransplantation. Die Gastgeberin selbst ist noch am Leben, sie soll sich aber laut einer Erklärung, die sie am Freitag an die Polizei in Victoria schickte und aus dem der Sender ABC am Montag zitierte, ebenfalls krank gefühlt haben und im Krankenhaus behandelt worden sein.

Knollenblätterpilze gelten als besonders giftig. Ihr Verzehr kann schon in kleinen Mengen tödlich sein.
Knollenblätterpilze gelten als besonders giftig. Ihr Verzehr kann schon in kleinen Mengen tödlich sein. © dpa | Bernd Wüstneck

Erin P. hatte von Anfang an jede Schuld bestritten. Die Gerüchte kochten aber auch deswegen über, weil sie anfänglich von ihrem Schweigerecht Gebrauch gemacht hatte. Von besonderem Interesse war, wo sie die Pilze für das Gericht gekauft oder gesammelt hatte. In ihrer Erklärung schrieb sie nun, sie habe frische Pilze in einem Supermarkt sowie vor einigen Monaten eine getrocknete Variante in einem asiatischen Geschäft in Melbourne gekauft.

Ex-Mann soll ihr Essen schon nicht vertragen haben

Obwohl die Polizei die Menschen vor Ort gewarnt hat, über den Fall zu spekulieren, da die Angelegenheit sich auch als „sehr harmlos“ herausstellen könnte, haben die drei Todesfälle die Aufmerksamkeit der Mordkommission auf sich gezogen. Die australische Polizei führt forensische Untersuchungen einiger im Haus von Erin P. beschlagnahmter Gegenstände durch. Auf einer Mülldeponie in der Nähe wurde ein Dörrautomat sichergestellt, der bei der Zubereitung des Mahls zum Einsatz gekommen sein könnte. Mit ihm könnten die Pilze getrocknet und haltbar gemacht worden sein. Zusätzlich dazu wollen die Beamten Überwachungsaufnahmen der Mülldeponie auswerten, um zu sehen, wer den Dörrapparat wann entsorgt hat.

Das Interesse der Ermittler soll nicht zuletzt auch durch einen Social-Media-Post vom Juni letzten Jahres geweckt worden sein, in dem der Ex-Ehemann von Erin P. von „ernsthaften medizinischen Problemen“ berichtete, wie es in der Tageszeitung „Sydney Morning Herald“ hieß. Eine Darmerkrankung soll ihn 16 Tage in ein künstliches Koma katapultiert haben, wobei er sich drei Notoperationen, sowie einer weiteren geplanten Operation unterziehen musste. „Meine Familie wurde zweimal gebeten, zu kommen und sich von mir zu verabschieden, da man nicht erwartete, dass ich überleben würde“, schrieb der Mann. Eine weitere australische Zeitung, „The Herald Sun“, will zudem erfahren haben, dass dem Mann nach einem Mahl bei seiner Ex-Frau schon häufiger mal schlecht geworden sei.

Tod durch Vergiftung: Opfer waren „sehr beliebt und respektiert“

Der Fall hat die Gemeinden Leongatha, wo Erin P. wohnt, und Korumburra, aus der ihre Gäste stammen, in Aufruhr versetzt. Die Verstorbenen waren beliebte Gemeindemitglieder, in lokalen Medien werden sie als engagierte und freundliche Menschen beschrieben. Auch Erin P., die nach wie vor auf freiem Fuß ist und gegen die bisher keine Anklage erhoben wurde, beteuerte in ihrem Schreiben wie auch gegenüber Journalisten, dass sie die Vier „geliebt“ habe und „am Boden zerstört“ sei, dass drei Menschen, darunter die Großeltern ihrer Kinder, nun nicht mehr am Leben seien.

Vergiftungsfälle gibt es immer wieder – 2012 starben zwei Menschen in Canberra, nachdem sie bei einer Silvester-Party Knollenblätterpilze gegessen hatten. Im Jahr 2020 mussten acht Menschen in Victoria nach einer Pilzvergiftung ins Krankenhaus, einer starb.