Berlin. An der Ostsee stellen sich die Menschen auf eine Sturmflut ein. Dänemark warnt deutlich. Wie ist die Situation in Deutschland?

Der Norden stellt sich auf eine schwere Ostsee-Sturmflut ein. Sie soll am Freitagnachmittag einen ersten Höhepunkt erreichen. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) warnte vor orkanartigen Böen mit Windgeschwindigkeiten bis zu 110 Kilometern in der Stunde. Die Warnung gilt von Freitag 12 Uhr bis Samstag, 2 Uhr, wie der DWD auf seiner amtlichen Warnkarte im Internet bekannt gab. Besonders betroffen ist in Deutschland vor allem Schleswig-Holstein. In Flensburg wird die höchste Sturmflut seit 100 Jahren erwartet. . „Bis etwa zwei Uhr nachts sind an der Ostseeküste und den Inseln orkanartige Böen möglich“, sagte DWD-Meteorologin Anne Wiese der dpa in Hamburg

Die Sturmflut könnte knapp zwei Tage anhalten

An der schleswig-holsteinischen Küste werde der Wasserstand 1,50 Meter oder mehr über das mittlere Hochwasser steigen, sagte eine Sprecherin des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in Rostock. In der Flensburger Förde können Wasserstände sogar bis zu 2,00 Meter über das mittlere Hochwasser steigen, teilte das Amt auf seiner Internetseite mit. Schleswig-Holsteins Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne), der auch für den Küstenschutz zuständig ist, rief die Küstenanwohner zur Vorsicht auf. „Ich appelliere auch an alle an der Ostseeküste lebenden Menschen, sich gut zu informieren und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen zu treffen“, erklärte Goldschmidt.

Mit einer möglichen Dauer von bis zu 40 Stunden könnte die Sturmflut deutlich länger anhalten als ähnliche Unwetterereignisse 2017 und 2019. Strandwälle wie an der Schleimündung könnten überflutet werden. Auch sei mit Strandausräumungen und Steiluferabbrüchen zu rechnen.

Unwetter: Die Menschen in Schleswig-Holstein müssen sich auf eine Sturmflut einstellen.
Unwetter: Die Menschen in Schleswig-Holstein müssen sich auf eine Sturmflut einstellen. © DPA Images | Thomas Müller

Weiter südlich und östlich werden die Wasserstände niedriger liegen, sagte die Sprecherin. In Mecklenburg-Vorpommern werde die Flut allenfalls nahe der Lübecker Bucht das Niveau einer schweren Sturmflut erreichen. Ansonsten kommt das Bundesland nach Vorhersage des BSH glimpflicher weg. In Greifswald werde das Wasser auf 1,40 Meter über das mittlere Hochwasser steigen, in Koserow auf Usedom auf etwa einen Meter. Die Höchststände können den Angaben zufolge um jeweils 10 Zentimeter abweichen, weil sie von den schwerer vorhersagbaren Windverhältnissen abhängen.

Wegen des Sturmtiefs sind an der Ostseeküste die ersten Straßen und Uferbereiche vom Hochwasser überschwemmt worden. So standen am Freitagmorgen sowohl in Wismar als auch in Kiel und Flensburg zahlreiche Straßen und Plätze unter Wasser. „Das Wasser kommt, es ist schon sehr weit gedrungen, es steht schon vor der Tür“, sagte eine Sprecherin der Polizei Flensburg dazu der Deutschen Presse-Agentur.

Auch in der Lübecker Bucht ist das Wasser bereits an vielen Stellen über die Ufer getreten, wie die Polizei mitteilte. Zudem blockierten auch ungesicherte Gegenstände sowie umstürzende Bäume teilweise die Fahrbahnen in Lübeck und im Kreis Ostholstein. Polizei und Feuerwehr schleppen zudem Fahrzeuge aus dem Gefahrenbereich und sperren Straßen ab.

In Dänemark und Schweden drohen Überschwemmungen

Eine sehr viel deutlichere Warnung gab die dänische Polizei heraus. Sie forderte Anwohner und Urlauber im Süden und im Osten Dänemarks auf, spätestens am Freitagmorgen das Küstengebiet zu verlassen. Betroffen sind demnach auch die bei deutschen Urlaubern beliebten Sommerhaus-Gegenden an den Südküsten der Inseln Lolland, Falster und Fünen sowie in den Förden von Haderslev, Aabenraa (Apenrade) und Flensburg. Wegen der Sturmflutwarnung fallen auf der Fährlinie zwischen Rostock und dem dänischen Hafen Gedser auf Falster am Freitag zahlreiche Abfahrten aus.

Das Dänische Meteorologische Institut (DMI) warnte vor Überschwemmungen in den betroffenen Küstenabschnitten von Freitagmorgen bis Samstagmittag. Der Wasserstand könne bis zu 2,4 Meter über den Normalwert steigen. Darauf bereitet man sich auch an der schwedischen Südküste vor.

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Wind bläst Wasser aus der Nordsee

Auffällig: An der Nordsee sagen die Meteorologen zur selben Zeit Niedrigwasser voraus. Grund ist der starke Ostwind, der das Wasser aus dem Wattenmeer in die Nordsee treibt. In Cuxhaven sollen die Wasserstände am Freitag mehr als 1,5 Meter unter dem mittleren Niedrigwasser liegen. In Hamburg werde der Wasserstand voraussichtlich sogar 2 Metern unter das mittlere Niedrigwasser fallen.

In den vergangenen 25 Jahren sank der Wasserstand an der deutschen Nordseeküste nur drei Mal unter 1,5 Meter unter dem mittleren Niedrigwasser gesunken – zweimal im März 2018 und einmal im November 2022, wie das Bundesamt weiter mitteilte.

Sturmbedingte Beeinträchtigungen auch bei der Deutschen Bahn und im Fährverkehr

In den Fährverbindungen zu den Halligen und Inseln kommt es zu Ausfällen und Verschiebungen in den Fahrplänen. Die Neue Pellwormer Dampfschiffahrts GmbH und die Wyker Dampfschiffs-Reederei kündigte Fahrplanänderungen bis Samstag an. Wie die Reederei Scandlines am Freitag mitteilte, musste wegen extrem starker Ostwinde zudem der Fährbetrieb auf den Strecken Puttgarden-Rødby und Rostock-Gedser vorübergehend eingestellt werden. Die Inseln Juist, Baltrum, Spiekeroog und Wangerooge waren am Freitag nicht mit Fährschiffen zu erreichen, wie die Fährgesellschaften auf ihren Internetseiten mitteilten. Für Wangerooge sollte der Fährverkehr auch am Samstag ausfallen. Im Fährverkehr zu den Inseln Langeoog und Norderney kam es am Freitag zu Ausfällen und veränderten Abfahrtszeiten. Am Kopenhagener Flughafen fällt am Freitag aufgrund des Sturms über der Ostsee rund jeder zehnte Flug aus.

Wegen des Sturms waren die Feuerwehren im Dauereinsatz. So war auf der Strecke zwischen Neumünster und Brokstedt ein Baum auf die Gleise gestürzt. Der Regionalverkehr zwischen Hamburg und Kiel wurde zum Teil eingestellt. Es fuhren Ersatzbusse. Die Schleswig-Holsteinischen Landesforsten hatten zudem angesichts des Sturms davor gewarnt, die Wälder zu betreten. Bei Sturm könnten in den Wäldern starke Äste abbrechen und Bäume umstürzen, was den Aufenthalt in den Wäldern lebensgefährlich mache.

Ab wann wird von einer Sturmflut gesprochen?

Nach Angaben des BSH beginnt an der Ostseeküste eine Sturmflut bei einem Wasserstand von einem Meter über dem Normalwert. Ab 1,25 Meter wird von einer mittleren Sturmflut und ab 1,5 Metern von einer schweren Sturmflut gesprochen.

Steigt das Wasser um mehr als zwei Meter, ist das eine sehr schwere Sturmflut. Anders als in der Nordsee spielt der Tidenhub in der Ostsee praktisch keine Rolle. Die Wasserstände steigen vor allem, wenn Sturm aus östlichen Richtungen das Wasser gegen die schleswig-holsteinische Küste schiebt.